Vier Haftpflichtfälle im Staatswald in den letzten 10 Jahren

Vier Haftpflichtfälle im Staatswald in den letzten 10 Jahren
Im Wald gilt Selbstverantwortung als Grundsatz. Foto: www.freepik.com

Das Aargauer Waldgesetz wurde kürzlich die Haftungsfrage wesentlich entschärft. Dazu wurde z. B. zu den "waldtypischen Gefahren" als Grundsatz folgendes ausgeführt: "Wer sich im Wald aufhält, tut dies auf eigene Verantwortung". Waldeigentümerinnen und -eigentümer haften (vorbehältlich der übergeordneten Haftungsbestimmungen) nicht für waldtypische Gefahren wie abbrechende Äste und umstürzende Bäume.

Das hielten im März Martin Brügger (SP/Brugg, Sprecher), Matthias Betsche (GLP/Möriken-Wildegg), Franziska Stenico-Goldschmid (Mitte/Beinwil im Freiamt) sowie Isabelle Schmid (Grüne/Tegerfelden) in einer Interpellation fest.

Darin wiesen sie auch darauf hin, dass die Freizeitgesellschaft, notabene alle Waldgängerinnen und Waldgänger, die den Wald nutzen, also selbst genügend Vernunft und Verantwortungsbewusstsein brauchen, um sich nicht bei "Unwetter" im Wald aufzuhalten. Nun werden aber in gewissen Waldgebieten (notabene im Auenschutzperimeter) weiterhin sogenannte Sicherheitsholzschläge realisiert, so die Interpellanten weiter. Dazu stellten sie diverse Fragen an den Regierungsrat, zum Beispiel ob es verbindliche Definitionen dafür gibt.

Abseits von Waldstrassen, -wegen und -werken: Eigenverantwortung steht im Vordergrund

In seiner jetzt publizierten Antwort schickt der Regierungsrat voraus, dass abseits von Waldstrassen, -wegen und -werken die Eigenverantwortung der Waldbesuchenden im Vordergrund stehe. Er schreibt: "Sie betreten das Waldgelände auf eigenes Risiko und müssen mit waldtypischen Gefahren, wie beispielsweise herunterfallenden Ästen und Kronenteilen oder umstürzenden Bäumen rechnen." Im teilrevidierten Waldgesetz werde der Aspekt der Eigenverantwortung, die mit einem Waldbesuch zusammenhänge, explizit verankert. Das teilrevidierte Gesetz trete voraussichtlich per 1. Juli 2024 in Kraft.

Haftpflichtrechtliche Stärkung der Position der Waldeigentümer

Damit werde das politische Anliegen, die Position der Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer in haftpflichtrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit waldtypischen Gefahren zu stärken, umgesetzt. Dies sei insbesondere im Hinblick auf die Zunahme der Erholungs- und Freizeitaktivitäten in den Aargauer Wäldern sowie den Auswirkungen des Klimawandels mit vermehrt absterbenden Bäumen ein wichtiges Zeichen.

Wie die Interpellanten schon im März festgehalten haben, gelte der Grundsatz, "dass wer sich im Wald aufhält, dies auf eigene Verantwortung tut, vorbehältlich der übergeordneten Haftungsbestimmungen", heisst es weiter. Dies bedeute konkret, dass auch mit dem teilrevidierten Gesetz insbesondere die Werkeigentümerhaftung nach wie vor gilt. Der Regierungsrat teilt deshalb die Meinung der Interpellanten, dass die Haftungsfrage mit der Teilrevision des Gesetzes wesentlich entschärft wurde, nur was das freie Waldgelände anbelangt.

Sicherheitsholzschlag: keine verbindliche Definition

Zu den konkreten Fragen der Interpellanten antwortet der Regierungsrat, es gebe weder auf eidgenössischer noch auf kantonaler Ebene eine verbindliche Definition für sogenannte "Sicherheitsholzschläge". Von solchen werde üblicherweise gesprochen, wenn absterbende oder abgestorbene Bäume entnommen werden müssen, weil sie ein Sicherheitsrisiko für Menschen oder Infrastrukturanlagen darstellen.

Wie viele Unfälle durch herabstürzende Bäume?

Die Frage, wie viele Unfälle/Haftpflichtfälle es in den letzten 10 Jahren im Aargau durch herabstürzende Bäume im Wald gab, kann der Regierungsrat wegen fehlenden Datengrundlagen nicht beantworten. Die Waldeigentümerinnen und -eigentümer hätten keine Pflicht und keine Veranlassung, den Kanton über Unfälle / Haftpflichtfälle zu informieren.

Im Staatswald – dieser macht rund 6 Prozent an der kantonalen Waldfläche aus – waren in den letzten 10 Jahren vier Haftpflichtfälle zu verzeichnen. Glücklicherweise seien dabei keine Menschen zu Schaden gekommen.

Gibt es Forstbetriebe, die Eschen selbst ohne Befall präventiv fällen wollen?

Weiter wollten die Interpellanten wissen, ob es Forstbetriebe gibt, die Eschen (selbst ohne Befall) als "präventive Sicherheit" vollumfänglich fällen wollen? Und ob der Kanton solche Aktivitäten unterstütze?

Gemäss verschiedenen Rückmeldungen der Revierförsterinnen und Revierförster weisen bewusst stehen gelassene (vermeintlich gesunde) Eschen nach zwei bis drei Jahren oft auch Befallssymptome auf, hält die Regierung dazu einleitend fest. Es sei deshalb zu befürchten, dass nur sehr wenige Eschen eine natürliche Resistenz gegen das Eschentriebsterben aufweisen. Sehr oft trete das Eschentriebsterben zusammen mit einem Hallimaschbefall – einer weiteren Pilzart – auf. So können auch vermeintlich vitale Eschen plötzlich umstürzen.

Deshalb werden im Bereich von Infrastrukturanlagen bei auftretendem Hallimaschbefall die Eschen in der Regel entfernt. Der Abteilung Wald sei ein Forstbetrieb bekannt, der die präventive Fällung von gesunden Eschen entlang von Waldstrassen in Betracht gezogen hat. Für eine solche systematische Präventivfällung wurde keine Holzschlagbewilligung erteilt. Die Nutzung von einzelnen gesunden Eschen im Rahmen eines Holzschlags sei jedoch zulässig.

Die Esche ist eine wichtige Baumart für den Aargauer Wald und soll, so der Regierungsrat in seinen weiteren Ausführungen, "wenn immer möglich, erhalten werden. Solche Fällaktionen werden entsprechend nicht vorbehaltlos bewilligt. Eine Bewilligung zur Fällung von absterbenden oder abgestorbenen Eschen wird erteilt, wenn die Risikobeurteilung einen Handlungsbedarf ergibt".

Holzschlagbewilligung mit Anlegen von Biotopen verknüpfen?

Auf eine weitere Frage der Interpellanten antwortet der Regierungsrat, es sei keine Rechtsgrundlage vorhanden, um eine Holzschlagbewilligung mit dem Anlegen von Strukturen wie Feucht-/Trockenbiotope, Strukturen für Kleinsäuger oder Totholzinseln zu verknüpfen.

Viele Waldeigentümerinnen und -eigentümer respektive Forstbetriebsleitende führen aus Eigeninitiative und -verantwortung beiläufige Aufwertungsmassnahmen zur Förderung der Biodiversität aus, so der Regierungsrat weiter. Sämtliche Forstbetriebe im Kanton seien an der Umsetzung des Naturschutzprogramms Wald beteiligt und führten Aufwertungsmassnahmen für Naturwerte im Wald durch.