Wie die ersten 100 Tage von Martina Bircher verliefen und was sie plant

Zum Jahresbeginn 2025 trat Regierungsrätin Martina Bircher offiziell ihr Amt als Vorsteherin des Departements Bildung, Kultur und Sport (BKS) an. An einer Medienkonferenz blickte sie auf ihre ersten 100 Tage im Amt zurück, zog eine erste Bilanz und machte auch einen Ausblick auf kommende Themen.
Gut begonnen hat es für Martina Bircher nicht wirklich, erlitt sie doch kurz vor ihrer ersten Grossratssitzung als Regierungsrätin einen Velounfall. Sie nahm trotzdem mit sichtbaren Blessuren daran teil. Auf die Frage einer Medienschaffenden an der 100-Tage-Medienkonferenz, wie es ihr heute gehe, meinte Bircher, der betroffene Fuss sei noch nicht zu 100 Prozent wieder in Ordnung. Den Start habe sie sich auch anders vorgestellt, es sei bei der Arbeit aber nie ein Problem gewesen.
"Durfte gut aufgestelltes Departement übernehmen"
Bircher betonte, dass sie von ihrem Vorgänger Alex Hürzeler ein gut aufgestelltes Departement mit eingespielten Abläufen übernehmen durfte. Sie sei nicht mit Vorurteilen empfangen worden und auch ihrerseits nicht mit Vorurteilen angetreten. In den Gesprächen, die sie bisher mit dem Kader im Generalsekretariat und den Abteilungen sowie mit Fachmitarbeitenden geführt hat, habe sie eine hohe Professionalität feststellen können. Die Bildungsdirektorin machte an der Medienkonferenz deutlich, was ihr besonders wichtig ist: "Zuverlässigkeit, Loyalität und Ehrlichkeit." Sie erfahre auch Loyalität.
Erfahrungen auf Exekutiv- und Legislativ-Ebene kamen Bircher zugut
Sie habe sich so rasch ein Bild über die laufenden Geschäfte und anstehenden Aufgaben des Departements verschaffen können. Ihre Vertrautheit mit den politischen Prozessen und den Aargauer Eigenheiten aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit in der Exekutive von Aarburg sowie als Parlamentarierin auf Kantons- und Bundesebene kommen ihr bei der Einarbeitung zugute.
Sie war bereits an mehreren Veranstaltungen, etwa an der Generalversammlung der IG Sport, an der Kickoff-Veranstaltung von "Schule trifft Wirtschaft" sowie an den regionalen Schulleitungsforen der Volksschule präsent und tauschte sich rege mit den Teilnehmenden aus, wie es dazu heisst. Auch fanden bereits erste Kontakte zu den Amtskolleginnen und -kollegen anderer Kantone statt. Etwa dank Gremien wie der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren, der Schweizerischen Hochschulkonferenz oder dem Regierungsausschuss des Bildungsraums Nordwestschweiz.
Es gab bereits viele viele Antrittsbesuche, etwa beim PSI oder der FHNW. Martina Bircher will die Tradition von Alex Hürzeler von Besuchen in Volks- und Mittelschule jedes Jahr beibehalten. Die Praxis sei ihr sehr wichtig, sagte sie. "Ich will mit den Leuten reden und hören, wo sie der Schuh drückt. Auch Behinderteneinrichtungen und Einrichtungen der Berufsbildung werde sie sicher einmal pro Jahr besuchen, kündigte Bircher an.
"Duales Ausbildungssystem ist das beste"
Das schweizerische duale Ausbildungssystem schätzt Bircher enorm. Es sei das beste Bildungssystem, auch wegen seiner Durchlässigkeit. Man halte an schriftlichen Abschlussprüfungen in der Allgemeinbildung fest, machte die Bildungsdirektorin im weiteren klar. Und es gelte, die MINT-Fächer zu stärken, heute sei es sehr sprachenlastig. Es gelte, einen Ausgleich zu schaffen.
Bircher will BKS-Strategie erneuern
"Zahlreiche Geschäfte sind gut unterwegs und warten nur noch auf die Finalisierung", so Martina Bircher. Sie kündigte an, dass dem Grossen Rat noch vor den Sommerferien die Botschaften zur jeweils zweiten Lesung zum neuen Sportgesetz sowie zum totalrevidierten Schulgesetz zugestellt werden.
Sie freue sich, diese beiden Geschäfte im Grossen Rat mit Überzeugung vertreten zu dürfen. Zudem wird in Stein die siebte Aargauer Kantonsschule den Schulbetrieb aufnehmen. Sie empfindet es als grosse Ehre, dass dies in ihrer Amtszeit erfolgt, nachdem letztmals 1973 in Zofingen eine Schule eröffnet wurde. Ziel sei aber nicht eine Erhöhung der Maturitätsquote, betonte die Bildungsdirektorin, die neue Schule sei eine Folge des Bevölkerungswachstums.
Blick voraus
Es gehe aber auch darum, über die aufgegleisten Geschäfte hinaus vorauszublicken. Bircher freut sich etwa auf das Klosterjahr 2027. Und betreffend Kulturangebot "dürfen wir im Kanton Aargau ein gesundes Selbstbewusstsein an den Tag legen», zeigte sie sich angesichts des Angebots überzeugt. Sie sieht es als ihre Aufgabe an, die Themen Bildung, Betreuung, Kultur und Sport zusammen mit ihren Mitarbeitenden voranzubringen, betonte Bircher an der Medienkonferenz weiter. Dafür plant sie, mit ihrem Kader eine neue BKS-Strategie 2029 zu erarbeiten.
Volksschule im Fokus
Die Volksschule verdiene besondere Aufmerksamkeit und stehe entsprechend im Fokus. Die Welt sei schnelllebiger und komplexer geworden, was gerade auch für die Volksschule eine besondere Herausforderung darstelle. Volksschulthemen würden die Öffentlichkeit und die Politik deshalb zurecht ganz besonders interessieren. Für Bircher gilt das Motto: "Jedes Kind in der richtigen Klasse zur richtigen Zeit." Die Aargauer Volksschulen genössen grossen Handlungsspielraum, sagte sie weiter, was mit einer entsprechend grossen Verantwortung verbunden sei.
Bircher: "liberales System stösst vermehrt an Grenzen"
Angesichts der Herausforderungen wie Bevölkerungswachstum, Digitalisierung, Fremdsprachigkeit, psychosozialen Auffälligkeiten und Fachkräftemangel stosse dieses liberale System aber vermehrt an seine Grenzen. Da gelte es, mit einer massvollen Steuerung durch den Kanton zu unterstützen. Für die Bildungsdirektorin ist klar: "Letztendlich muss es unser Ziel sein, dass die Volksschule ihren verfassungsmässigen Bildungsauftrag erfüllen kann. Denn sie legt die Basis, dass sich unsere Kinder dereinst erfolgreich in der Gesellschaft und der Arbeitswelt entfalten können. Als Aargauer Bildungsdirektorin werde ich mich stets für eine qualitativ hochstehende Bildung im Aargau einsetzen."
Über 50 Prozent fremdsprachiger Schüler in der Realschule
Anhand mehrerer Statistiken warf Bircher auch einen Blick auf die derzeitige Situation in der Schule. So stellen im Kindergarten, in der Primar- und Bezirksschule die deutschsprachigen Kinder über 50 Prozent. In der Realschule betrage jedoch der Anteil Fremdsprachiger über 50 Prozent, was mit Herausforderungen verbunden ist.
Die Regelschulen melden vermehrt Kinder für Abklärungen an, ob Bedarf für eine Sonderschule bestehe. Dabei gehe es immer öfter um Entwicklungsstörungen, nicht wie früher vorab um klassische körperliche Behinderungen wie etwa beim Gehör oder beim Sehen.
Die Sonderschulquote beträgt im Aargau durchschnittlich 2,5 (Schweiz 1,9) Prozent. An einigen Schulen betrage die Sonderschulquote gar 4 bis 10 Prozent. Das sei ein Widerspruch zur Inklusion, so Bircher. Kleinklassen seien massiv abgebaut worden, sagte sie weiter. Sie fragt sich, ob ein ein Zusammenhang mit den zunehmenden Anmeldungen für Sonderschulen bestehe.
"Ein typisches Tablet-Kind"
Die Digitalisierung habe auch ihre Schattenseiten, die Sprachfähigkeit mit 4/5 Jahren sei bei manchen Kindern nicht genügend ausgeprägt. So sah soie ein fünfjähriges Mädchen, das kaum sprechen konnte. Sie sei dann aufgeklärt worden, das sei "ein typisches Tablet-Kind", das mit dem Tablet jeweils über Stunden ruhiggestellt worden sei. Es kämen dann Kinder mit Sprachstörungen und Verhaltensauffälligkeiten in die Schule.
Bircher sagte weiter, es gelte, den Kindergarten zu stärken. Man brauche hier mehr Flexibilität als heute. Einschulungsklassen für Kinder, die noch nicht fit sind für die 1. Klasse, wurden massiv zurückgefahren. Bircher fragt sich jetzt, ob das so in Ordnung ist oder ob doch wieder mehr Einschulungsklassen geführt werden müssen.
Wie man sieht, geht auch in der Weiterentwicklung der Bildungspolitik die Arbeit nicht aus. Auf die weiteren Schritte darf man gespannt sein.