Hooligan-Konkordat: "Klare Zeichen gegen Gewalt im Umfeld von Fussballspielen setzen"
In einer Interpellation haben Lelia Hunziker, SP, Aarau (Sprecherin), Mia Jenni, SP, Obersiggenthal, Rolf Walser, SP, Aarburg, Maurus Kaufmann, Grüne, Seon, Manuela Ernst, GLP, Wettingen, Lutz Fischer, EVP, Wettingen, Simon Binder, Mitte, Baden, vom 19. März 2024 haben die Interpellanten und Interpellantinnen dem Regierungsrat Fragen zu seiner Haltung zum Kaskadenmodell und zu den Erfahrungen mit dem Hooligan-Konkordat gestellt.
In seiner Antwort schreibt der Regierungsrat zuerst mit einer Vorbemerkung: Das (umgangssprachlich) Hooligan-Konkordat sei am 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Zudem würden Fragen zum sogenannten Kaskadenmodell aufgeworfen. Dieses wurde im Auftrag der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) erarbeitet, schreibt der Regierungsrat. Das Kaskadenmodell sei die Konkretisierung der Massnahmen gemäss Hooligan-Konkordat und sehe abgestufte Massnahmen vor, um mit diesen auf Ausschreitungen im Umfeld von Fussballspielen zu reagieren und diese zukünftig zu verhindern.
Kaskadenmodell geht bis hin zu Geisterspielen
Unter anderem sieht das Kaskadenmodell in den Stufen 3 und 4 die Schliessung von Fansektoren beziehungsweise die Anordnung von Geisterspielen vor. Die Swiss Football League (SFL) teilte am 14. März 2024 mit, dass sie und ihre Klubs dieses Kaskadenmodell ablehnen, da es nicht zielführend, einseitig und unverhältnismässig sei.
Zur Frage "Welche Erfahrungen wurden im Kanton Aargau mit dem Hooligan-Konkordat gemacht?" lautet die Antwort: Die Kantonspolizei setzt die gestützt auf das Hooligan-Konkordat möglichen Massnahmen konsequent und nach den Empfehlungen der KKJPD um. Die angeordneten Massnahmen würden von den betroffenen Personen grossmehrheitlich eingehalten. Ihre präventive Wirkung sei aus Sicht des Regierungsrats gegeben.
Kaskadenmodell kommt zurzeit im Aargau nicht zur Anwendung
Zur Frage "Unterstützt der Kanton Aargau das Kaskadenmodell? Gibt es einen Regierungsratsbeschluss zur Anwendung des Kaskadenmodells?" Einen Regierungsratsbeschluss zur Anwendung des Kaskadenmodells gebe es nicht. Das Kaskadenmodell komme zurzeit im Kanton Aargau nicht zur Anwendung (siehe weiter unten Antwort zur Frage 3). Der Regierungsrat begrüsse aber die Stossrichtung des Kaskadenmodells. Dieses sei als Mittel zur Verhinderung weiterer Eskalationen konzipiert.
Der Regierungsrat weiter: "Es gilt, klare Zeichen gegen Gewalt im Umfeld von Fussballspielen zu setzen. Dies insbesondere auch für die Direktbetroffenen von Sachbeschädigungen und weiteren Gewalttaten. Für den Fall, dass der Dialog und die weiteren präventiven Mittel zur Verhinderung von Ausschreitungen nicht ausreichen, sollten die Behörden auf ein Instrumentarium zurückgreifen können, das ihnen eine verhältnismässige Reaktion erlaubt."
Das Kaskadenmodell würde dabei eine Hilfestellung bieten, so der Regierungsrat weiter. Es zeige transparent auf, welches Fehlverhalten welche Massnahmen auslösen kann.
Kaskadenmodell nur für Super League Spiele gedacht
Zur Frage 3 "Kommt das Kaskadenmodell im Kanton Aargau zur Anwendung, obwohl die Clubs im Aargau nicht in der Super-League spielen? Falls das Kaskadenmodell zur Anwendung kommt: Wer ist im Kanton Aargau dafür verantwortlich und wer beschliesst mögliche Entscheide nach Kaskadenmodell?" Wie auch in der Medienmitteilung der KKJPD vom 14. März 2024 festgehalten wurde, soll das Kaskadenmodell ausschliesslich bei Spielen der Super League, der höchsten Schweizer Fussballliga, zur Anwendung gelangen. Im Kanton Aargau kommt es deshalb gegenwärtig nicht zur Anwendung.
Ein Entscheid über die grundsätzliche Anwendung des Kaskadenmodells würde durch den Regierungsrat erfolgen. Für die konkrete Umsetzung wäre die Kantonspolizei zuständig.
Zur Frage 4 "Wirken die Sicherheitsbehörden des Kantons Aargau bei der Arbeitsgruppe Bewilligungsbehörden der KKJPD mit?" Nein, es wirken keine Aargauer Behördenvertretungen in dieser Arbeitsgruppe mit. Zur Frage 5 "Ist es sinnvoll, ein Modell einzuführen, welches die zentralen Akteure (Clubs, Fans, Liga) nicht unterstützt?" Wie in der Antwort zur Frage 2 erwähnt, werde mit dem Kaskadenmodell ein Mittel geschaffen, um auf Gewaltausschreitungen verhältnismässig reagieren zu können, schreibt der Regierungsrat in seiner Antwort weiter.
Bedauern, dass SFL Ergebnis nicht mitträgt
Die Akteure seien im Vorfeld in die Arbeiten eingebunden gewesen und hätten auch entsprechend mitgewirkt. Dass die SFL das Ergebnis nun nicht mitträgt, sei zu bedauern. Angesichts der immer wiederkehrenden Gewaltausschreitungen im Umfeld von Fussballspielen erscheint es aus Sicht des Regierungsrats notwendig, auch weitergehende Massnahmen ergreifen zu können.
Die Öffentlichkeit und auch friedliche Fussballfans würden nicht verstehen, wenn die Behörden auf massive Ausschreitungen lediglich mit einer Intensivierung des Dialogs reagieren würden, schreibt sie.
Ermittlung aufgrund Uniformierung und Vermummung sehr anspruchsvoll
Zur Frage 6 "Welche Möglichkeiten sieht der Regierungsrat, um effizienter gegen Einzeltäter vorzugehen?" Die Ermittlung von Einzeltäterinnen und Einzeltätern bei Ausschreitungen anlässlich von Sportveranstaltungen sei aufgrund der Uniformierung und Vermummung der betroffenen Personen sehr anspruchsvoll, lautet die Antwort darauf. Ausserdem seien die Vereine in der Challenge League, der zweithöchsten Schweizer Fussballliga, nicht verpflichtet, ihre Stadien mittels Videokameras zu überwachen, was die Ermittlung zusätzlich erschwere.
Aufgrund der grossen kriminellen Energie und der Rücksichtslosigkeit der gewaltbereiten Personen gegenüber anderen Besucherinnen und Besuchern von Fussballspielen sowie der Polizei muss bei Risikospielen ein grosses Polizeiaufgebot für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit eingesetzt werden, heisst es weiter. Im Zusammenhang mit der Anhaltung von gewalttätigen Personen im Umfeld von Fussballspielen müsse die Polizei jeweils eine Rechtsgüterabwägung vornehmen, insbesondere um eine Eskalation der Situation zu verhindern. F
estgestellte Straftaten müssen von den zuständigen Strafbehörden konsequent geahndet werden, ist für den Regierungsrat klar. Anderweitige Möglichkeiten sieht er nicht.
Zur Frage 7 "Wurden präventive, nicht-repressive Modelle geprüft, um im Kanton Aargau gegen die Fangewalt vorzugehen? Stellt der Kanton Aargau Mittel für die Fanarbeit zur Verfügung und falls ja, wie viele?" Die Kantonspolizei ist im ständigen Austausch mit den Sicherheits- und Fanverantwortlichen der Aargauer Vereine. Diese Gespräche zielten insbesondere darauf ab, heisst es weiter, "Ausschreitungen im Umfeld von Fussballspielen und damit entsprechend notwendige repressiven Massnahmen zu verhindern". Anderweitige Mittel für die Fanarbeit stelle der Kanton Aargau nicht zur Verfügung.
Szenekenner derKapo im Austausch mit Fanverantwortlichen
Zur Frage 8 "Verfügt die Kantonspolizei Aargau über eine Person für nicht repressive Fanarbeit?" Ja, die Kantonspolizei verfügt über Szenekenner. Diese stehen im Austausch mit den Sicherheits- und Fanverantwortlichen der Aargauer Vereine und sind zudem Ansprechpersonen für die Fans.
Zur Frage 9 "Welche Haltung hat der Regierungsrat gegenüber Kollektivstrafen? Würde der Regierungsrat bei gemäss Kaskadenmodell gegebener Eskalation eine Kollektivstrafe gegen Fans aussprechen?" Bei schwerwiegenden Vorfällen kann es sich zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit aus Sicht des Regierungsrats als sachgerecht erweisen, antwortet er, ganze Fansektoren zu schliessen oder Geisterspiele anzuordnen – selbst dann, wenn solche Massnahmen auch Auswirkungen auf Personen haben, die nicht an den Ausschreitungen beteiligt waren.
Was, wenn der FCA aufsteigt?
Sollte ein Aargauer Verein in die Super League aufsteigen und es anlässlich von Spielen zu Ausschreitungen kommen, wird es Sache der Kantonspolizei sein, im konkreten Einzelfall zu prüfen, welche Massnahmen anzuordnen sind. Sofern der Regierungsrat die Anwendung des Kaskadenmodells grundsätzlich beschliesst, würde sich das weitere Vorgehen danach richten.