Was soll mit eritreischen Flüchtlingen geschehen, die hier ihr heimisches Regime feiern?
Via Interpellation hat Grossrat Adrian Schoop, FDP, Baden im April der Regierung diverse Fragen zu Auseinandersetzungen zwischen eritreischen Gruppierungen gestellt. Deren Antworten liegen jetzt vor.
Zur Frage, welche konkreten Vorfälle zwischen eritreischen Gruppierungen im Kanton Aargau in den letzten Jahren zu öffentlichen Ordnungsstörungen oder Sicherheitsbedenken geführt haben, antwortet sie, im Kanton Aargau sei es in den letzten Jahren zu keinen derart schweren Vorfällen wie in Opfikon oder Gerlafingen gekommen, auf welche sich der Interpellant bezieht.
2013 gab es mehrere Schwerverletzte in Rombach
Im Jahr 2013 waren rund 40 Eritreer an einem Raufhandel mit mehreren Schwerverletzten in Rombach beteiligt. Bei Auseinandersetzungen unter eritreischen Staatsangehörigen waren in anderen Fällen laut Regierungsantwort mehrheitlich Einzelpersonen oder Kleinstgruppen involviert.
Die Motive der Auseinandersetzungen werden in den polizeilichen Befragungen zwar erhoben, statistisch jedoch nicht erfasst, heisst es weiter Im Jahr 2022 wurde zudem ein von Eritreern geplanter Anlass auf Anraten der Kantonspolizei nicht durchgeführt, da Sicherheitsbedenken bestanden.
Weiter wollte Schoop wissen: "Wie viele Gewaltvorfälle im Zusammenhang mit eritreischen Staatsbürgern (Gruppen oder Einzelpersonen) haben die Polizei oder private Sicherheitskräfte in den letzten 12 Monaten registriert? Wie sieht die Entwicklung in den letzten fünf Jahren aus? An welchen Orten wurden die meisten Vorfälle registriert?" Die Antwort dazu ergibt sich gemäss polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) für den Kanton Aargau in den letzten fünf Jahren in obenstehender Tabelle.
2019 bis 2022 allein in Aarau 55 Gewaltstraftaten
Im Kanton Aargau kommt es gemäss der PKS in Aarau am häufigsten zu Gewaltvorfällen mit Beteiligung eritreischer Staatsangehöriger. In den letzten fünf Jahren wurden total 55 Gewaltstraftaten mit Tatort in Aarau verzeichnet. In derselben Zeit wurden in Baden, Frick und Wohlen je rund zehn Vorfälle registriert.
Die Anzahl Vorfälle mit eritreischen Staatsangehörigen, welche seitens privater Sicherheitsdienste registriert worden sind, ist dem Regierungsrat nicht bekannt. Diejenigen Vorfälle, welche von privaten Sicherheitsdiensten bei der Kantonspolizei zur Anzeige gebracht wurden, sind in der obigen Tabelle enthalten.
Weiter wollte Schoop wissen, welche Kosten Einsätze von Polizei- und/oder Sicherheitskräften aufgrund von Gewaltvorfällen im Zusammenhang mit eritreischen Staatsbürgern in den letzten 12 Monaten verursacht haben.
Alle 2744 Gewaltdelikte lösten bei Kapo 11 Mio. Franken Kosten aus
Diese Kosten können nicht im Detail ausgewiesen werden, antwortet die Regierung.. Eine solche Erfassung finde nicht statt. Für die insgesamt 2'744 Gewaltdelikte im Jahr 2023 (vgl. Antwort zur Frage 2) fielen gemäss der Kosten- und Leistungsrechnung der Kantonspolizei insgesamt 71'124 Stunden mit Gesamtkosten von rund 11 Millionen Franken (Vollkostenrechnung) an.
Die entsprechenden Vorfälle im Zusammenhang mit eritreischen Staatsangehörigen betrafen grossmehrheitlich den Bereich der minderschweren Delikte gemäss dem Schweizerischen Strafgesetzbuch (StGB), wie beispielsweise einfache Körperverletzungen (Art. 123 StGB), Tätlichkeiten (Art. 126 StGB) oder Drohungen (Art. 180 StGB). Der polizeiliche Aufwand bei diesen Tatbeständen sei wesentlich tiefer als bei Fällen der schweren Gewalt wie beispielsweise bei Tötungsdelikten, heisst es dazu weiter.
Kosten 2023 wegen Eritreern etwa 150 000 Franken
für Aufgrund von Erfahrungswerten sei davon auszugehen, dass die Gewaltstraftaten im Jahr 2023, bei denen 40 eritreische Staatsangehörige als beschuldigte Personen registriert wurden, Kosten in der Höhe von rund 150'000 Franken verursacht haben (Vollkostenrechnung). Diese Zahl ergibt sich aus einem angenommenen Stundenaufwand pro Vorfall von total 24 Stunden.
Dieser Aufwand umfasse beispielsweise die Intervention von mehreren Patrouillen am Ereignisort, allfällige Inhaftierungsprozesse sowie die weitere Fallbearbeitung, insbesondere die Befragungen und die Rapportierung. Die allfälligen Kosten von privaten Sicherheitsdiensten in diesem Zusammenhang sind dem Regierungsrat nicht bekannt.
Welche Massnahmen wurden bisher ergriffen?
"Welche Massnahmen wurden bisher von den zuständigen Behörden ergriffen, um die Konflikte zwischen den eritreischen Gruppierungen zu entschärfen? Wie effektiv waren diese Massnahmen?", wollte Schoop weiter wissen.
Die Kantonspolizei richtee ein besonderes Augenmerk auf sogenannte Hotspots, an denen es vermehrt zu Straftaten kommt, heisst es in der Antwort dazu. Zur Verhinderung von Delikten im öffentlichen Raum setzt die Kantonspolizei gezielt ihr Schwerpunktelement "FOKUS" sowie weitere Patrouillen ein. Dadurch könne an diesen Hotspots im Fall von sich anbahnenden oder bereits eskalierten Konflikten rasch interveniert werden.
Dies betreffe auch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen eritreischen Gruppierungen. Die Kantonspolizei stehe zudem mit Vertreterinnen und Vertretern der eritreischen Diaspora in Kontakt. Neben der wichtigen Aufklärungsarbeit könne die Kantonspolizei dadurch auch wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Weiter werde stets versucht, eritreische Veranstaltungen mit Gewaltpotenzial frühzeitig zu erkennen.
Für problematische Veranstaltungen gibt es keine Lokalitäten
Im Zusammenhang mit dem eritreischen Nationalfeiertag vom 24. Mai 2024 hat die Kantonspolizei politische Gemeinden und Kirchgemeinden präventiv mittels Schreiben hinsichtlich problematischer Veranstaltungen sensibilisiert. Hinweisen auf solche Veranstaltungen geht die Kantonspolizei nach. Grossmehrheitlich finden solche Veranstaltungen aufgrund von polizeilichen Empfehlungen nicht statt, da sie von den zuständigen Behörden nicht bewilligt werden beziehungsweise keine Lokalitäten dafür zur Verfügung gestellt werden. Spontane Auseinandersetzungen zwischen eritreischen Gruppierungen werden aber nie ganz verhindert werden können, hält die Regierung weiter fest.
Schoop: Was, wenn eritreische Migranten das Regime feiern, vor dem sie angeblich geflohen sind?
"Teilt der Regierungsrat die Ansicht, dass es absurd anmutet und die offensichtliche Dysfunktionalität unseres Asylsystems offenlegt, wenn eritreische Migranten in der Schweiz das Regime feiern, vor dem sie angeblich aus politischen Gründen geflohen sind?", wollte Schoop zusätzlich wissen. Dem Regierungsrat liegen keine Angaben darüber vor, ob es sich bei den eritreischen Personen, welche die Regierung in Eritrea öffentlich unterstützen, um in der Schweiz anerkannte Flüchtlinge handelt, antwortet sie dazu.
Sollte dies zutreffen, erwarte der Regierungsrat vom zuständigen Staatssekretariat für Migration (SEM), dass es solche potenziellen Missbrauchsfälle im Sinne der bundesrechtlichen Regelungen überprüft.
"Wird der Aufenthaltsstatus von Eritreern, die das Regime in Eritrea unterstützen, nochmals überprüft? Wenn nein, weshalb nicht?", wollte Schoop zusätzlich in Erfahrung bringen. Gemäss Asylgesetz widerrufe das SEM das Asyl oder aberkenne die Flüchtlingseigenschaft unter anderem, wenn die ausländische Person das Asyl oder die Flüchtlingseigenschaft durch falsche Angaben oder Verschweigen wesentlicher Tatsachen erschlichen hat.
Im Bundesparlament wurde genau dazu ein Vorstoss eingereicht
Der Regierungsrat verfüge über keine Angaben zur diesbezüglichen Praxis des SEM im Zusammenhang mit Unterstützerinnen und Unterstützern der Regierung in Eritrea. Auf Bundesebene wurde jedoch von Ständerat Andrea Caroni am 21. Dezember 2023 eine Motion betreffend Massnahmen gegen Ausländer, die gewaltsam dasjenige Regime unterstützen, vor dem sie angeblich geflohen sind, eingereicht. Darin wird unter anderem vorgeschlagen, dass die Flüchtlingseigenschaft aberkannt werden soll, wenn die betroffene Person ein Regime öffentlich unterstützt, von welchem sie ursprünglich geflohen ist.
Bundesrat teilt das Anliegen der Motion Caroni, aber...
Der Bundesrat führte in seiner Stellungnahme aus, dass er das Anliegen der Motion teilt. Es sei unverständlich, dass in der Schweiz aufgenommene Personen gewalttätige Demonstrationen durchführen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bevölkerung darstellen. Der Bundesrat war jedoch der Ansicht, so fasst der Regierungsrat dessen Antwort weiter zusammen, dass die rechtliche Handhabe, um gegen solche Personen vorzugehen, schon bestehe und lehnte die Motion deswegen ab.
Die Motion wurde dennoch von beiden eidgenössischen Räten angenommen und zur Umsetzung an den Bundesrat überwiesen.
Zur Frage "Müssten gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, damit man den Aufenthaltsstatus von regimetreuen Eritreern nochmals überprüfen könnte? Wenn ja, welche?" antwortet der Regierungsrat, nach seiner Einschätzung bestehe im vorerwähnten Asyalgesetz (Art. 63) bereits eine gesetzliche Grundlage, um in potenziellen Missbrauchsfällen den Aufenthaltsstatus zu überprüfen und allenfalls den ursprünglichen Entscheid über die Gewährung von Asyl und die Anerkennung als Flüchtling zu widerrufen.