Volksabstimmung vom 18. Mai: so will das Nein-Komitee die "Leerlauf-Initiative" bodigen

Am 18. Mai stimmen die Aargauerinnen und Aargauer über zwei kantonale Vorlagen ab: über die jüngste Steuersenkungsvorlage sowie über die Lohngleichheits-Initiative von links. Über die Argumente der Befürworter und Gegner der Steuervorlage haben wir bereits berichtet. Nun ist das breit abgestützte bürgerliche Komitee "Nein zur Leerlauf-Initiative" (gemeint ist damit die Lohngleichheits-Initiative) in Aarau mit einer Medienkonferenz an die Öffentlichkeit getreten. Worum geht es? Die Initianten wollen Lohnanalysen für Aargauer KMU schon ab 50 Mitarbeitenden erreichen. Zum Vergleich: Derzeit gilt schweizweit eine Regelung, die solche Analysen ab 100 Mitarbeitenden verlangt.
Gegner-Parteien von der SVP bis zur EVP
Beat Bechtold, Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK), verwies in der Begrüssung auf die Mitgliedorganisationen des breit abgestützten Komitees "Nein zur Leerlauf-Initiative". Es besteht nebst der AIHK, dem Aargauischen Gewerbeverband, der EVP, den Grünliberalen, der Mitte sowie von FDP (inkl. FDP Frauen und Jungfreisinnige), SVP (inkl. SVP Frauen und Junge SVP) und EDU. Sie alle, so Bechtold, "setzen sich gegen die wirkungslosen Lohnanalysen ein". Auch der Regierungsrat und eine grosse Mehrheit des Grossen Rates empfehlen, die Initiative abzulehnen.
Burger: "Gleichstellung wichtig, doch Initiative ist nur Leerlauf»
«Gleichstellung ist ein wichtiges Thema. Doch die Initiative ist kein Fortschritt, sondern ein wirkungsloser, teurer und bürokratischer Leerlauf», sagte Nicole Burger, Grossrätin der SVP, an der Medienkonferenz. Die Initiative gaukle vor, die Arbeitnehmenden würden dank den Analysen und der neuen Amtsstelle plötzlich mehr Lohn erhalten und man wolle den Fachkräftemangel und die Altersarmut bekämpfen. In Tat und Wahrheit verschwende man aber Steuergelder und belaste die KMU bloss mit mehr Bürokratie. Burger: Dieser wirkungslose Leerlauf kostet KMU nur Zeit und Energie."
Lützelschwab: "Verwirrendes Spiel mit den Zahlen"
Die Befürworter der Initiative behaupten, Frauen erhielten im Durchschnitt 16,2 Prozent weniger Monatslohn als Männer in der gleichen Position, sagte als nächstes Daniella Lützelschwab, Ressortleiterin Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht beim Schweizerischen Arbeitgeberverband, und weiter: «Diese Aussage ist schlichtweg falsch. Die Initianten verwischen bewusst die Abgrenzung von Lohnunterschieden zu Lohndiskriminierung.» Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit stehe für sie ausser Frage, stellte die Arbeitgebervertreterin dazu klar.
"Über 98 Prozent der Unternehmen halten die Lohngleichheit ein"
Die von den Initianten verwendete Lohnstrukturerhebung zeige eine gesamtwirtschaftliche Sicht und lasse wichtige Faktoren wie beispielsweise die effektive Berufserfahrung unberücksichtigt. Entsprechend lasse sich daraus nicht ableiten, dass in einem Betrieb eine Frau beim Lohn diskriminiert wird, so Lützelschwab weiter. Demgegenüber belegten Studien zu den betrieblichen Lohngleichheitsanalysen, dass über 98 Prozent der Unternehmen die Lohngleichheit einhalten. Entsprechend unverhältnismässig sei die Initiative. Sie stelle die Unternehmen unter Generalverdacht.
Es gelte stattdessen, woanders anzusetzen, nämlich bei der Berufsorientierung und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. «Da stehen wir Arbeitgeber auch bereit, wir wollen aber keine neue Bürokratie", so Lützelschwab.
Freiermuth: Aargauer Extrawurst fördert Ungleichbehandlung
Das nationale Gleichstellungsgesetz sieht bereits heute eine Pflicht zur Lohnanalyse für Betriebe mit 100 oder mehr Mitarbeitenden vor. Diese schweizweit geltende Regelung sei gut und richtig, "denn sie sorgt für gleich lange Spiesse für alle Betriebe", sagte Sabina Freiermuth, Grossrätin und Präsidentin der FDP Aargau. Demgegenüber würde ein Aargauer Sonderweg zu Ungleichbehandlung und unverhältnismässiger Bürokratie führen.
Zudem sei die Wirksamkeit von Lohnanalysen bis heute ungewiss. Ob diese wirken, untersucht der Bundesrat zurzeit. Freiermuth: "Statt die Resultate abzuwarten und für eine schweizweit einheitliche und effiziente nationale Lohnanalyse zu sorgen, wollen die Initianten einen kantonalen Schnellschuss zu Lasten unserer Aargauer KMU erzwingen."
Bechtold mit Blick auf die USA: "Das letzte, was wir da noch brauchen, ist eine selbst auferlegte zusätzliche Bürokratie"
Doch die Aargauer KMU brauchen verlässliche Rahmenbedingungen», sagte als nächstes Beat Bechtold. Er kritisierte: «Die Initiative schafft eine unverhältnismässige Bürokratie. Mehr denn je sind unsere Unternehmen angesichts der derzeitigen Unsicherheit auf klare und einheitliche Spielregeln angewiesen». Er verwies dabei auch auf den jüngsten Zollhammer aus den USA, bei dem Präsident Trump inzwischen zwar eine neunzigtägige Pause eingelegt habe. Aber, so Bechtold: "Der Aargau ist einer der grössten Industriekantone, wir exportieren viel. Das letzte, was wir da noch brauchen, ist eine selbst auferlegte zusätzliche Bürokratie." Das Ergebnis der Abstimmung vom 18. Mai werde schweizweit ausstrahlen, so Bechtold. Umso mehr setzt sich das Komitee für ein Nein zur Initiative ein.
Koch Wick: neue Amtsstelle bringt keinen Mehrwert
Die Initianten fordern eine Wiederbelebung der Fachstelle für Gleichstellung. Der Kanton Aargau verfügte bis 2017 über eine solche Sie wurde als Sparmassnahme per 2018 mit der Fachstelle Alter zur bis heute bestehenden Fachstelle Alter und Familie zusammengelegt. Seither sind alle Instanzen der Verwaltung für die Gleichstellung in ihrem Verantwortungsbereich zuständig (sogenannte dezentrale Zuständigkeit).
Unter Verweis auf die Fachstelle Alter und Familie, betonte denn auch Karin Koch Wick, Grossrätin und Co-Präsidentin der Mitte, bereits heute förderten alle kantonalen Amtsstellen die Gleichstellung in ihrem Bereich. «Dies ist viel effektiver, als wenn man die Gleichstellung einer isolierten Amtsstelle delegiert. Die einzelnen kantonalen Stellen wissen am besten, wie in ihren jeweiligen Aufgabengebieten Gleichstellungsanliegen sinnvoll umgesetzt werden können», so Koch Wick.
Berufliche Chancengleichheit von Mann und Frau seien ganz wichtig, so die Mitte-Co-Präsidentin weiter. Familienergänzende Betreuung sei denn auch einer der Schwerpunkte. Der Kanton prüfe derzeit Massnahmen zur Unterstützung der Gemeinden bei der familienergänzenden Kinderbetreuung. Entsprechende Gesetzesänderungen sollen dem Grossen Rat von der Regierung 2026 vorgelegt werden. Beide Instanzen bekennen sich zu Förderung und Sicherstellung der Gleichstellung, betonte Koch Wick weiter, "doch ein neues Büro bringt keinen Mehrwert, die dezentrale Lösung des Aargaus hat sich bewährt".
Schuppisser: "bessere Absicherung der Teilzeitangestellten bei Vorsorge"
Bürokratische Berichtspflichten und eine neue Amtsstelle brächten nicht mehr Gleichstellung, hiess es an der Medienkonferenz weiter. «Vielmehr sind griffige Massnahmen gefragt. Dazu gehören zum Beispiel eine bessere Absicherung der Teilzeitangestellten bei den Vorsorgewerken. Ebenso müssen die steuerlichen Anreize verbessert werden, damit Personen, die sich für eine gewisse Zeit der Kinderbetreuung widmen, wieder erwerbstätig werden», sagte GLP-Grossrätin Annetta Schuppisser. Mit konkreten Massnamen fördere man die Gleichstellung effektiver als mit Berichten und einer neuen Fachstelle.
Weitere Argumente des Nein-Komitees finden Sie auf www.leerlauf-nein.ch
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