Forderung nach weniger frühen Fremdsprachen, dafür mehr Deutsch in der Schule, wird als Postulat überwiesen

Nach Beendigung der Debatte über das neue Schulgesetz und der Behandlung mehrerer Interpellationen geht es gegen Schluss des heutigen Grossratstages noch um drei happige Vorstösse. Es sind dies:

  • Motion der FDP-Fraktion (Sprecher Titus Meier, Brugg) betreffend Reduktion der frühen Fremdsprachen zugunsten einer Stärkung der Kompetenzen in Deutsch. Die Regierung beantragt die Umwandlung in ein Postulat. (24.213)
  • Motion der GLP-Fraktion (Sprecherin Annetta Schuppisser, Bremgarten) betreffend Sofortmassnahmen und Ressourcen zur Abfederung der Problematik der fehlenden Sonderschulplätze. Auch hier beantragt die Regierung eine Umwandlung in ein Postulat. (24.195)
  • Motion der FDP-Fraktion (Sprecherin Sabina Freiermuth, Zofingen) betreffend flächendeckende Führung von Förderklassen im Kanton Aargau. Die Regierung lehnt diesen Vorstoss ab. (24.220)
  • Sobald sie diskutiert werden, berichten wir hier darüber. Die Ratsdebatte dauert bis 17 Uhr.

Mit ihrer Motion will die FDP-Fraktion den Regierungsrat beauftragen, dem Grossen Rat die notwendigen gesetzlichen Anpassungen zu unterbreiten oder in eigener Kompetenz vorzunehmen,

• so dass nur diejenigen Kinder, die über ausreichende Kompetenzen in Deutsch verfügen, in der Primarschule frühen Fremdsprachenunterricht besuchen und die anderen Kinder zusätzlichen Deutschunterricht erhalten.

• so dass durch Anpassungen in der Oberstufe die bisherigen Sprachziele weiterhin erreicht werden.

Begründung: Mit Beschluss vom 19. Juni 2007 stimmte der Grosse Rat dem Verpflichtungskredit zur Einführung von Frühenglisch ab der 3. Primarklasse zu und am 18. September 2018 dem Verpflichtungskredit zur Einführung von Französisch ab der 5. Primarklasse. Damit wurde die nationale Sprachenstrategie im Kanton Aargau umgesetzt. Erfahrungen aus der Schulpraxis und verschiedene Studien belegten, so die FDP, "dass der frühe Fremdsprachenunterricht zu keinen signifikant besseren Fremdsprachenkenntnissen der Schülerinnen und Schüler am Ende der Volksschule beiträgt".

Nebst dem Zeitpunkt, zu dem mit dem Fremdsprachenunterricht in der Volksschule begonnen wird, spielten weitere Faktoren für einen erfolgreichen Fremdspracherwerb eine Rolle. Damit Schülerinnen und Schüler eine Fremdsprache fundiert erwerben, seien auch Häufigkeit und Qualität der sprachlichen Inputs von enormer Wichtigkeit. Die Wirkung der Umsetzung des frühen Fremdsprachenunterrichts an der Volksschule Aargau sei daher umstritten.

Viele Kinder sind bereits mit deutscher Sprache stark gefordert

Der frühe Fremdsprachenunterricht forciert aber ein anderes Problem: Viele Kinder sind bereits mit dem Erwerb der Grundkompetenzen der deutschen Sprache stark gefordert bzw. überfordert. Das zusätzliche Erlernen von Fremdsprachen in der 3. und 5. Primarschule stelle eine deutliche Hürde dar für den Erwerb der Grundkompetenzen Lesen und Schreiben in Deutsch.

Primarschülerinnen und -schüler, die keine fundierten Grundlagen in Deutsch aufweisen, hätten damit in weiteren Fächern erhebliche Nachteile, weil sie beispielsweise die Aufgabestellung in Mathematik oder in weiteren Fächern nicht richtig verstünden, heisst es im Vorstoss weiter. Dies sei insbesondere ein Nachteil der schwachen Schülerinnen und Schüler und erschwert ihren weiteren schulischen Erfolg.

Pisa-Studie: Wer zuhause andere Sprache spricht, hat in Mathematik signifikant niedrigere Leistung

Die neusten Ergebnisse der PISA-Studie vom Dezember 2023 zeigten, dass 15-jährige Schülerinnen und Schüler, die zu Hause überwiegend eine andere Sprache sprechen als die Schulsprache, in Mathematik eine statistisch signifikant niedrigere Leistung erreichen als diejenigen, die zu Hause die Schulsprache sprechen. Aus diesem Grund seien Korrekturen im frühen Fremdsprachenunterricht in der Primarschule dringend angezeigt.

"Andernfalls wird Druck auf eine gänzliche Abschaffung zunehmen"

Andernfalls werde der Druck auf eine gänzliche Abschaffung zunehmen, glaubt man in der FDP. Personelle und finanzielle Ressourcen seien knapp und sollten dort eingesetzt werden, wo sie die grösste Wirkung entfalten. Die Korrekturen seien umso wichtiger, als dass über ein Drittel der Kinder im Kanton – in einzelnen Gemeinden gar über die Hälfte – mit einer anderen Erstsprache als Deutsch ins Aargauer Schulsystem eintreten.

Dieser Anteil hat sich seit der Einführung der Fremdsprachen auf Primarschulstufe stark erhöht. Gleichzeitig verfügen auch Kinder mit deutscher Muttersprache zunehmend über ungenügende Sprachkenntnisse infolge sprachlicher Vernachlässigung in der frühen Kindheit. Gerade auf der Primarstufe müsse jedoch das Erlernen von Deutsch Priorität haben, weil später alle Fächer darauf aufbauen. Aus diesem Grund sei eine Verschiebung der Einführung von Fremdsprachen zugunsten von mehr Unterricht in Deutsch angezeigt.

Dafür in der Oberstufe mehr Lektionen für Fremdsprachen als bisher

Damit am Ende der Volksschule jedoch die bestehenden Ziele erreicht werden können, seien auf der Oberstufe mehr Lektionen für Fremdsprachen einzusetzen als bisher. Gleichzeitig seien neue Formate zu finden, die das Erlernen etwa der zweiten Landessprache begünstigen. Dabei sei beispielsweise an Sprachaufenthalte zu denken, welche die Sinnhaftigkeit für das Erlernen von Französisch verbessern und damit das Sprachenlernen begünstigen. Frühe Fremdsprachen in der Primarschule sollen für jene Kinder weiterhin möglich sein, die über ausreichende Kompetenzen in Deutsch verfügen. Sie können in der Zeit Fremdsprachen lernen, in der andere ihre Grundkompetenzen in Deutsch erweitern.

FDP-Sprecher erklärt sich mit der Umwandlung in ein Postulat einverstanden, es wird stillschweigend überwiesen.

Dasselbe geschieht mit der Motion der Grünliberalen, auch diese wird stillschweigend überwiesen.