SVP steigt mit Bircher und Gallati ins Regierungsratsrennen
Nach der Nationalhymne kam Kantonalpräsident Andreas Glarner vor den gegen 300 Parteitagsteilnehmern der SVP in Suhr gleich zum Hauptthema des Abends. Es gelte, Jean-Pierre Gallati für die nächste Legislatur als Regierungsrat zu nominieren, und für den nicht mehr antretenden Alex Hürzeler «haben wir die Chance, zwischen zwei hervorragenden Kandidatinnen auszuwählen.»
Eine Auswahl wie die SVP könnten «die Dunkelgrünen und die Hellgrünen nicht bieten», sagte er mit Blick auf deren Kandidaten Ruth Müri (Grüne) und Beat Flach (GLP). Die Aargauer Regierung mache einen guten Job, lobte Glarner. Doch sowohl Flach als auch Müri seien «aus bürgerlicher Sicht unwählbar». Nach der Nomination werde man sogleich das Gespräch mit den bürgerlichen Parteien suchen, so Glarner.
158 von 276 Stimmen für Martina Bircher
Das Resultat vorweg. 276 Stimmzettel wurden gegen 22 Uhr nach einer langen Debatte verteilt, nominiert wurde schon im ersten Wahlgang mit 158 Stimmen Nationalrätin Martina Bircher. Die Mit-Kandidatin und Fraktionschefin im Grossen Rat Désirée Stutz erhielt 117 Stimmen.
Ernst Hasler: Bircher redet nicht nur, sie argumentiert auch
In der Debatte vor der Wahl empfahl Alt-Regierungsrat Ernst Hasler Martina Bircher zur Wahl. In Aarburg sei alles im Keller gewesen, als sie dort in den Gemeinderat kam: «Das war kein Sonntagsspiziergang.» Er verwies auf die günstigeren Spitex-Neuregelungen, mit denen die Zufriedenheit in der Bevölkerung gestiegen sei.
Ein weiterer Teilnehmer meinte, Martina Bircher habe den Tatbeweis erbracht. Ein weiterer Votant sagte, ganz sicher kenne man Martina Bircher besser. Den zweiten Sitz könne man mit ihr eher verteidigen. Ihm schlossen sich zwei weitere Votanten an: «Wenn man Martina Bircher braucht, sie ist da.»
Giezendanner: Wenn Bircher etwas anpackt, macht sie es richtig
Schliesslich gab es auch Sukkurs von Benjamin Giezendanner: «Wenn Martina Bircher etwas anpackt, macht sie es richtig.» In der Schule stehe man vor grossen Herausforderungen, dafür brauche es unbequeme Entscheide. Dass sie das könne, habe sie bewiesen. Auch bei einer Votantin schlug das Herz «ganz klar für Martina Bircher». Diese werde sich in jedem Departement schnell und gut einarbeiten, rief sie in den Saal.
Pascal Furer: Bircher holte viermal so viel Stimmen
Grossrat Pascal Furer ergänzte mit Blick auf die vergangenen Wahlen, da habe Bircher viermal so viel Stimmen für die SVP geholt wie Stutz. Auch für einen weiteren Redner ist klar: Bircher kommt bei den Wählerinnen und Wählern besser an. Ein ehemaliger Gemeindeammann empfahl Bircher, die sich mit harter Arbeit und Fleiss hinaufgearbeitet habe. Sie habe das bessere Wahlpotenzial als Stutz.
Andy Steinacher: Stutz kann über alle Parteien Allianzen schmieden
Andy Steinacher hielt für das Désirée-Stutz-Lager dagegen. Stutz arbeite viel im Hintergrund, ohne sich aufzuplustern. Sie sei bestens organisiert und vernetzt. Sie sei dossierfest, das erführen alle SVP-Grossräte, wenn sie selbst mal nicht so gut vorbereitet sind. Sie könne über alle Parteien hinweg Allianzen schmieden, um Geschäften zum Durchbruch zu verhelfen. Man brauche eine Kandidatin, die auch Stimmen in der FDP und in der Mitte holen könne: «Wir wissen alle, SVP allein reicht nicht, um Regierungsrätin zu werden.»
«Diejenige aufstellen, die den Job am besten machen kann, Désirée Stutz»
Stutz geniesse viel Unterstützung auch bei anderen Bürgerlichen, sekundierte ein zweiter Unterstützer. Ein weiterer erinnerte daran, dass schon letztes Mal der Fraktionspräsident Regierungsrat wurde. Er empfahl, dies zu wiederholen. Ein weiterer Grossrat empfahl ebenfalls Stutz. Man müsse diejenige aufstellen, die den Job am besten machen könne. Er mahnte, womöglich könnte sonst jemand aus Baden (er meinte damit wohl Ruth Müri) den Sitz holen, mahnte er.
Auch eine Grossrätin warb für Stutz. Deren Führung der Fraktion sei strikt, aber fair und menschlich. Das grösste Ziel müsse der zweite Regierungssitz bleiben: «Deshalb gebe ich Désirée Stutz meine Stimme.»
Martina Bircher: Ich traue es mir in aller Demut zu
Zuvor hatten sich die beiden Kandidatinnen selbst vorstellen können, zuerst Martina Bircher. Sie habe sich gefragt, ob sie für das Amt als Regierungsrätin genügen könne. Dafür habe sie ihre Jahre als Gemeinderätin in Aarburg Revue passieren lassen. Dort habe sie vor Jahren das undankbarste Ressort bekommen, den Sozialbereich, eine Riesenbaustelle, so Bircher.
Sie habe sich in die Materie eingearbeitet, habe dafür von den Besten lernen wollen: "Dieser Arbeitsweise bleibe ich immer treu. Dabei orientiere ich mich an der Realität, den Fakten, den Tatsachen.» Konstruktive Zusammenarbeit sei für sie eine Selbstverständlichkeit. So habe sie im Gemeinderat als einzige SVP-Vertreterin Vorlagen durchgebracht und habe die Sozialausgaben fast halbieren können. Einen eigenen Weg habe man auch bei der Spitex gefunden: «Die Kosten sind gesunken, die Qualität ist gestiegen.»
Sollte ihr das Bildungsdepartement zugewiesen werden, wäre ihr dies nicht fremd, so Bircher. Die Schule sei das Spiegelbild der Gesellschaft. Viele Eltern seien besorgt, was da abgehe. Bircher weiter: «Mit mir wählen Sie eine von uns für unseren Aargau.» Dafür gab es grossen Applaus.
Désirée Stutz: Politik nicht um Schlagzeilen zu generieren, sondern um etwas zu bewegen
Die zweite Kandidatin, Fraktionschefin Désirée Stutz, ist Juristin, mit Anwaltsbüro, «und ich übernehme in verschiedensten Funktionen Verantwortung, seit vier Jahren führe ich die SVP-Fraktion, die grösste Fraktion im Grossen Rat». Und entgegen von Medienberichten arbeite sie sehr gern und sehr gut mit Parteipräsident Glarner zusammen, sagte sie weiter.
Muss man Exekutiverfahrung haben? Die habe sie nicht, ebenso wie damals Jean-Pierre Gallati, «und er macht es hervorragend», so Stutz. Es brauche ein Grundverständnis für die politischen Abläufe, sie kenne die Gesetze, auch die Abläufe in den Gemeinden. Themenmässig sei sie sehr breit aufgestellt.
Man müsse bereit sein, auf vieles zu verzichten. Das sei ihr und ihrem Mann sehr bewusst. In der Regierung müsse man kompromissbereit sein. Mit ihr könne man tragfähige Lösungen finden, warb Stutz für sich. Sie betreibe Politik nicht um Schlagzeilen zu generieren, sondern um etwas zu bewegen, aufzudecken, wenn die Wahrheit vertuscht wird. Deshalb habe sie vor einiger Zeit auch eine Aufsichtsanzeige gegen ein Regierungsmitglied eingereicht. Auch wenn sie nicht jede Woche in der Zeitung sei, habe sie mit ihrer politischen Arbeit schon einiges erreichen können.
Auch dank überparteilicher Unterstützung bringe sie beste Voraussetzungen mit, um den zweiten SVP-Sitz zu verteidigen, so Stutz weiter. Auch sie erntete grossen Applaus.
Gallati mit Applaus nominiert, er will Gesundheitsdirektor bleiben
Zum Vornherein klar war die Nomination des Bisherigen Jean-Pierre Gallati. Er durfte darlegen, warum er für eine dritte Legislatur antritt. Dass der Aargau der schönte Kanton sei, sei seine Basismotivation, meinte er.
Der Aargau müsse sich wirtschaftlich verbessern, etwa mit Steuergesetzrevisionen. Beim Verkehr gelte es Strasse und Schiene auszubauen. In der Berufsbildung wolle man in Zukunft an der Spitze sein, das Gesundheitswesen wolle man qualitativ hoch, aber auch günstig halten. Er will Gesundheitsdirektor bleiben, machte Gallati klar.
Volksabstimmungen: Ja nur zur Unversehrtheitsinitiative
Es war ein langer Parteitag, an dem auch noch Parolen für den 9. Juni gefasst wurden. Hier resultierte sowohl bei der SP-Prämienentlastungsinitiative als auch bei der Kostenbremse-Initiative der Mitte je ein einstimmiges Nein. Zur Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» resultierte ein relativ knappes Ja mit 139 : 113. Das Stromgesetz wird deutlich zur Ablehnung empfohlen. Einstimmig dann wieder das Nein zur einzigen kantonalen Vorlage vom 9. Juni, dem Klimaparagraf.