So bekämpfen die Gegner im Aargau die Biodiversitätsinitiative

So bekämpfen die Gegner im Aargau die Biodiversitätsinitiative
Das Nein-Komitee, von links nach rechts: Christoph hagenbuch, Clemens Hochreuter, Jeanine Glarner, Robert Weishaupt, Sabina Freiermuth, Beat Bechtold und Edith Saner. Foto: MKU

Das kantonale Komitee gegen die nationale Biodiversitätsinitiative lud am Rande der dienstäglichen Grossratssitzung in Aarau zu einer Medieninformation. Über diese wird am 22. September an der Urne entschieden. Die Gegnerschaft ist auf bürgerlicher Seite von SVP bis und mit Mitte breit abgestützt und umfasst - nebst dem Bauernverband Aargau natürlich auch die beiden grossen Wirtschaftsverbände und der Hauseigentümerverband.

Als erstes sprach denn auch der kantonale Bauernverbandspräsident und SVP-Grossrat Christoph Hagenbuch. Er geisselte die Initiative als "extrem und schädlich". Der Titel töne zwar sympathisch, schliesslich seien alle für Biodiversität. Aber, so Hagenbuch, "es geht um Verhinderung, um Wirtschaftsschädigung".

"Entspräche der Fläche der Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg und Solothurn zusammen"

Die Initianten sagten, 8 Prozent seien geschützt, nötig seien aber 30 Prozent. Es fehle dann also eine Fläche, die der Grösse der Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg und Solothurn zusammen entspreche, sagte Hagenbuch weiter. Für die Nein-Allianz ist klar, dass es noch Raum für Verbesserungen und punktuelle Erweiterungen gebe. «Aber vor allem bei der Qualität und nicht bei der Quantität der Flächen», so Hagenbuch. Mit den Bauern könne man über freiwillige, gemässigte Massnahmen reden. Das zeige der Gegenvorschlag zur Gewässerinitiative im Aargau, der breit abgestützt ist. Doch was die Initiative verlange, sei unverantwortlich.

So kämpft das kantonale Komitee für die Biodiversitätsinitiative
Am 22. September geht es an der Urne nebst der BVG-Reform um die Biodiversitätsinitiative. Im Aargau hat sich ein Pro-Komitee mit Mitgliedern von SP, Grünen über EVP, GLP und Mitte und etwa mit dem früheren Grossrat und früheren Jagd Aargau-Präsident Rainer Klöti bis hinein in die FDP gebildet. Vertreten im

Wenn jemand sage, aufgrund der Initiative müssten nicht mehr Kartoffeln importiert werden, sei das eine Falschaussage. Klar könnten die Menschen mehr vegetarisch essen (was auch weniger Futtermittel bedingen würde), aber, so Hagenbuch: "Wir wollen den Menschen nicht vorschreiben, was sie essen."

Die Biodiversitätsinitiative würde die nachhaltige Energie- und Nahrungsmittelproduktion stark einschränken und das Bauen verteuern, befürchten die Gegner. Bereits heute bestünden genügend Instrumente und gesetzliche Bestimmungen zur Förderung der Biodiversität.

Beat Bechtold, Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK), argumentierte so: "Mit der Biodiversitätsinitiative werden noch mehr Flächen praktisch unantastbar. Projekte im Bereich der Energieproduktion werden dadurch zusätzlich erschwert oder verunmöglicht.». Das würde zu neuen Unsicherheiten in der Stromversorgung und damit für unsere Unternehmen führen, befürchtet er. Bauen im Allgemeinen sei bereits heute mit vielen Auflagen und langen Bewilligungsverfahren verbunden. «Mit der Biodiversitätsinitiative käme ein weiteres Hindernis dazu. Die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts würde dadurch zusätzlich verschlechtert.»

AGV: für die Umwelt wäre damit nichts gewonnen

In dieselbe Kerbe hieb Robert Weishaupt, Vizepräsident des Aargauischen Gewerbeverbandes (AGV): «Eine Annahme der Initiative schwächt die inländische Produktion von Nahrungsmitteln, Energie und Holz. Die Produktion wird nach dem Motto «aus den Augen, aus dem Sinn» ins Ausland verlagert, wo in der Regel tiefere ökologische Standards gelten», so Weishaupt vor den Medienvertretern. Für die Umwelt sei damit nichts gewonnen, im Gegenteil. Durch schlechtere Umweltbedingungen im Ausland, die nicht überprüfbaren Standards und die Transportwege seien die Importe weniger nachhaltig.

"Biodiversität heisst nicht einfach Blüemliwiese"

Bereits heute werden 19 Prozent der Landwirtschaftsfläche explizit zur Förderung der Biodiversität genutzt. Für den Erhalt von Direktzahlungen sind aktuell 7 Prozent gefordert. Edith Saner, Co-Präsidentin von Die Mitte Aargau, sagte denn auch: «Im Aargau sind wir sogar bei 21 Prozent der Flächen, welche die Landwirtschaft explizit für die Biodiversität ausscheidet», so Edith Saner, Co-Präsidentin von Die Mitte Aargau. Das gelte es zu respektieren und nicht noch mehr zu fordern.

Im Gespräch stelle sie immer wieder fest, dass viele nicht genau wissen, was Biodiversität bedeutet. Das seien nicht einfach Blüemliwiesen, die man sich selbst überlässt. Auch Biodiversitätsflächen erforderten Pflege und ein grosses Wissen für den Unterhalt so die Mitte-Co-Präsidentin.

Hauseigentümerverband: Furcht vor Verteuerungen und Einschränkungen beim Bauen

Die Initianten beschränken sich nicht ausschliesslich auf Flächen und Strukturen ausserhalb der Bauzone. Auch das Siedlungsgebiet und damit die dort ansässigen Hauseigentümer, KMU und Industriebetriebe sind betroffen. Die baukulturellen Forderungen der Initianten kämen faktisch einem Bauverbot in Ortskernen und Altstädten gleich, so Jeanine Glarner, Präsidentin des Hauseigentümerverbandes Aargau und FDP-Grossrätin. «Zudem führen sie zu zusätzlichen Auflagen, Eigentumseinschränkungen und höheren Kosten, weshalb auch der Hauseigentümerverband Aargau die Initiative ablehnt."

FDP: Initiative wäre auch ein ordnungspolitischer Sündenfall

Eine Annahme der Initiative würde die Kompetenzen und den Handlungsspielraum der Kantone und Gemeinden einschränken, da sie die Umsetzungskompetenz von den Kantonen auf die Bundesebene verschieben würde, fügte Sabina Freiermuth, an Präsidentin der FDP Aargau und Grossrätin: «Das ist ein ordnungspolitischer Sündenfall. Im Aargau haben wir mit dem Gegenvorschlag zur Gewässerinitiative und dem Programm Labiola gezeigt, dass es für die Förderung der Biodiversität insbesondere die Flexibilität für Lösungen braucht, die dem Standort entsprechen."

Hochreuter: Initiative würde auch Bundesfinanzen belasten

Auf die öffentliche Hand kämen jährliche Mehrausgaben von 375 bis 440 Millionen Franken zu, falls die initiative angenommen würde. Das sagte Grossrat Clemens Hochreuter, Vizepräsident der SVP Aargau. Dieses Geld würde den Bundeshaushalt weiter in die roten Zahlen treiben. Zudem gebe es bereits heute zahlreiche gesetzliche Bestimmungen zur Förderung der Biodiversität. «So gehen heute allein im Kanton Aargau jährlich weit über 100 Hektaren Kulturland durch die Ausscheidung des Gewässerraums oder die Revitalisierung von Bächen verloren», so Hochreuter weiter.

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