Simona Brizzi will besseren Schutz gegen Übergriffe im schulischen Kontext
Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen (EDK) führt eine sogenannte «schwarze Liste», auf welcher Personen aufgeführt werden, die aufgrund von strafrechtlichen Tatbeständen wie Kriminal- und Sexualdelikten, Sucht- oder andere Krankheiten ihre Unterrichtsberechtigung verloren haben. Die Liste wird von der Rechtsabteilung des Generalsekretariats der EDK geführt. Die Meldung soll verhindern, dass gemeldete Lehrpersonen in anderen Kantonen tätig werden können. Dies schrieb Nationalrätin Simona Brizzi (SP) in einer Interpellation. Sie bat den Bundesrat um Antwort auf mehrere Fragen.
In der Volksschule und vor allem in Sonderschulen und Institutionen für Kinder mit Behinderungen arbeiten jedoch diverse weitere Berufsgruppen, schrieb sie weiter, "die ebenfalls intensiven Kontakt zu jungen Menschen haben. Bei Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung kommt hinzu, dass sie zum Teil besonders gefährdet sind, weil sie aufgrund ihrer Behinderungen nicht in der Lage sind, über allfällige sexuelle Übergriffe Auskunft zu geben".
In der Praxis könne es vorkommen, dass Angestellte, die nicht unter die Berufsausübungsbewilligung der EDK fallen, wegen Strafhandlungen im schulischen Kontext entlassen werden und damit weitere oder spätere Arbeitgebende nichts davon wissen.
Welche an Schulen und Sonderschulen tätigen Berufsgruppen mit Direktkontakt zu Kindern/Jugendlichen sind auf «schwarzer Liste»?
Aufgrund des Fachkräftemangels seien wir zudem auf Fachkräfte und Mitarbeitende aus dem benachbarten Ausland angewiesen. Die EU führe eine «Black-List» über Berufsverbote. Das Interesse der Kantone sei da, auch Zugang zu diesen Listen und Informationen zu haben, so Brizzi weiter. Sie wollte etwa wissen, welche an Schulen und Sonderschulen tätigen Berufsgruppen mit Direktkontakt zu Kindern und Jugendlichen aktuell auf der «schwarzen Liste» erfasst sind und welche nicht? Aber auch, wie der Bundesrat die Aussage beurteilt, dass es aktuell Lücken beim Erfassen von Personen mit pädosexuellen und kriminellen Taten im Schul- und Sonderschulsystem gebe.
Das antwortet der Bundesrat
Dem Bundesrat ist es ein Anliegen, dass Minderjährige und andere schutzbedürftige Menschen vor Übergriffen bestmöglich geschützt werden.
Für das Schulwesen sind die Kantone zuständig. Gestützt auf die Interkantonal Vereinbarung vom 18. Februar 1993 über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen, der alle 26 Kantone beigetreten sind, führe die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) eine Liste über Lehrpersonen, denen aufgrund eines kantonalen Entscheides die Unterrichtsberechtigung oder die Berufsausübungsbewilligung entzogen wurde, antwortet der Bundesrat.
Diese Berufsgruppen fallen in die Regelungskompetenz der EDK
Gründe für einen Entzug können strafrechtliche Tatbestände, aber auch bspw. Suchtverhalten oder bestimmte Krankheiten sein. Auf der Liste sind Lehrpersonen sowie auch Personen mit einem Lehrdiplom in Schulischer Heilpädagogik, heilpädagogischer Früherziehung, Logopädie und Psychomotorik erfasst. Gemäss Auskunft der EDK sind die Voraussetzungen für den Eintrag in die Liste, dass die Personen im schulischen Umfeld arbeiten und von einem Kanton nach einem rechtskräftigen kantonalen Entscheid der EDK gemeldet werden. Andere Berufsgruppen mit Direktkontakt zu Kindern und Jugendlichen fallen nicht in die Regelungskompetenz der EDK und können daher nicht in der Liste geführt werden.
"Bund hat keine Kompetenz, die Liste der EDK zu ergänzen"
Der Bund habe keine Kompetenz, die Liste der EDK zu ergänzen. Allerdings wurde mit den Änderungen vom 13. Dezember 2013 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs eine Regelung eingeführt, um die Gesellschaft besser vor Wiederholungstätern von Sexualdelikten gegen Minderjährige zu schützen. Dadurch wurde das bis dahin bereits bestehende Berufsverbot für Personen, die mit Minderjährigen und anderen schutzbedürftigen Menschen arbeiten, zu einem umfassenden Tätigkeitsverbot ausgeweitet, das auch ausserberufliche Tätigkeiten umfasst.
Im Zuge dessen wurde auch ein spezieller Strafregisterauszug, der Sonderprivatauszug, geschaffen, so der Bundesrat weiter. Mit diesem sollen Minderjährige und besonders schützenswerte Personen besser geschützt werden, indem – anders als im Privatauszug – die Urteile, die ein Tätigkeitsverbot oder ein Kontakt- und Rayonverbot enthalten, während der gesamten Dauer des Verbotes in diesem verbleiben.
Beteiligung an EU-Vorwarnmechanismus ist Gegenstand von Verhandlungen
Die Beteiligung der Schweiz am Vorwarnmechanismus der Europäischen Union (EU), mit dem die Länder über das Internal Market Information System (IMI) tatsächlich in Echtzeit über Berufsausübungsverbote in reglementierten Berufen im Bereich der Kindererziehung informiert werden können, ist Gegenstand der aktuellen Verhandlungen mit der EU.
Der Bundesrat konnte bereits im Rahmen der Interpellation Weichelt 24.3283 dazu Stellung nehmen. Aktuell verpflichtet das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.1) in Artikel 22 jede Vertragspartei zur Meldung strafrechtlicher Verurteilungen von Staatsangehörigen einer anderen Vertragspartei. Treffen solche Meldungen ein, werden auch die darin ausgesprochenen strafrechtlichen ausländischen Tätigkeitsverbote analog zu Artikel 67 StGB und Artikel 50 Militärstrafgesetz oder Kontakt- und Rayonverbote registriert und folglich auf dem Sonderprivatauszug ersichtlich sein, schreibt der Bundesrat abschliessend.