Gabriela Suter: Harmonisierung der Rechtsgrundlagen mit der Behindertenrechtskonvention

Die Uno-Behindertenrechtskonvention (BRK) verpflichtet die Schweiz ausdrücklich, die Rechte von Menschen mit Behinderungen bei der Gesetzgebung zu berücksichtigen. Dies sagte Nationalrätin Gabriela Suter (SP/AG) am 30. Mai 2024 im Nationalrat bei der Behandlung eines Postulats, mit dem sie bezweckte, in der Schweiz die Rechtsgrundlagen mit der Behindertenrechtskonvention zu harmonisieren. Ihr Vorstoss wurde gegen den Willen des Bundesrates gutgeheissen.

Im März 2022 hat der Uno-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen die Schweiz in Bezug auf die Umsetzung der BRK erstmals überprüft. In seinen Empfehlungen zuhanden der Schweiz zeige er sich besorgt über die mangelhafte Harmonisierung von Schweizer Recht mit der Behindertenrechtskonvention. Der Uno-Ausschuss empfehle deshalb der Schweiz, sämtliche Rechtsgrundlagen mit der BRK zu harmonisieren, sagte Suter in der Debatte. Dazu müsse gewährleistet sein, dass bei allen Gesetzes- und Verordnungsrevisionen die Verpflichtungen der Behindertenrechtskonvention immer mitgedacht werden.

Zwar habe der Bundesrat in seiner Antwort auf ihr Postulat ausgeführt, es gebe keine Widersprüche. Suter: "Dies ist aber nicht der Fall." Sie gab vier Beispiele, von denen wir hier aus Platzgründen nur eins wiedergeben.

Beispiel Zugänglichkeit: Im Eisenbahnverkehr übernehme die Schweiz immer mehr europäische Normen. Diese gehen aber beim Schutz von Menschen mit Behinderungen, mit Benachteiligungen oft deutlich weniger weit als das Schweizer Recht. Sie gewähren zum Beispiel nicht immer, dass die Betroffenen die Züge autonom benutzen können. Das Bundesgericht hielt im Dezember 2021 klar fest, so Suter, dass die technischen Vorgaben an die Herstellung von öffentlichen Verkehrsmitteln so ausgestaltet sein müssen, dass eine autonome Nutzung so weit wie möglich gewährleistet sei.

Der Bundesrat blieb diesbezüglich bis jetzt aber untätig, kritisierte Suter im Rat. Zunehmend würden auch die Kompetenzen zur Überprüfung und Genehmigung von Eisenbahnfahrzeugen an die Europäische Eisenbahnagentur ausgelagert. Damit werde das Verbandsbeschwerderecht der Behindertenorganisationen regelrecht ausgehebelt.

Suter: es braucht eine systematische Überprüfung des bestehenden und des künftigen Rechts

Das Fazit von Gabriela Suter: "Es gibt in der Schweiz keine systematische Überprüfung der bestehenden Gesetzgebung des Bundes im Lichte der Behindertenrechtskonvention. Es ist auch nicht sichergestellt, dass Gesetzesanpassungen oder neue Gesetze BRK-konform sind. Der Bundesrat und die Bundesverwaltung haben die Behindertenrechtskonvention nicht oder viel zu wenig auf dem Radar. Deshalb ist mein Postulat wichtig. Es braucht eine systematische Überprüfung des bestehenden und des künftigen Rechts, damit unsere Rechtsordnung BRK-kompatibel wird."

Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider antqortete dazu (Anmerkung der Redaktion: unautorisierte Übersetzung aus dem Französischen),
Ende 2023 habe der Bundesrat die Ausrichtung und Prioritäten der Behindertenpolitik für die Periode 2023–2026 festgelegt. Dabei habe er auch die Empfehlungen des UNO-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt. Der Bundesrat habe eine Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes in die Vernehmlassung gebracht, deren Ergebnisse derzeit ausgewertet werden.

Schwerpunktprogramme in den Bereichen Arbeit, Sozialleistungen, Wohnen und Teilhabe

Gleichzeitig habe der Bundesrat vier Schwerpunktprogramme in den Bereichen Arbeit, Sozialleistungen, Wohnen und nicht zuletzt Teilhabe definiert. Diese Programme dienen nicht nur dazu, in Zusammenarbeit mit den Kantonen und der Zivilgesellschaft mehrere gezielte Massnahmen nach Bereichen zu entwickeln, sondern auch dazu, notwendige Gesetzesrevisionen zu unterstützen.


Die Konformität des Schweizer Rechts mit den Rechten von Menschen mit Behinderungen werde zudem bei der Ausarbeitung von Erlassen geprüft. Dieser Abgleich finde auch bei der Übernahme von EU-Richtlinien im Bereich des öffentlichen Verkehrs statt. Das vom Postulat geforderte Mitdenken an die Rechte von Menschen mit Behinderungen finde auch heute statt - vielleicht nicht immer umfassend. Aus diesen Gründen beantrage der Bundesrat Ablehnung des Postulates.

Wie einleitend geschrieben, folgte der Rat der Argumentation von Gabriela Suter, und zwar mit 97 : 87 Stimmen.