Edith Saner und Karin Koch Wick präsidieren neu die Mitte Aargau
Die Mitte hat sich am 23. April im Casino in Bremgarten mit über 100 Teilnehmenden viel vorgenommen: Die Nachfolge von Marianne Binder als Parteipräsidentin war zu regeln, dazu kam der Abstimmungssonntag vom 9. Juni.
Ständerätin Marianne Binder begrüsste an ihrem letzten Parteitag, den sie als Parteipräsidentin leitete, die Parteimitglieder in Anwesenheit auch von Landammann und Mitte-Regierungsrat Markus Dieth, dem früheren Regierungsrat Peter Wertli, den beiden Mitte-Nationalräten Maya Bally und Andreas Meier sowie dem früheren Nationalrat Bernhard Guhl sowie schliesslich auch dem nationalen Mitte-Präsidenten und Nationalrat Gerhard Pfister.
Binder blickte auf Ihre erfolgreichen Jahre als Präsidentin zurück. In ihrer Zeit eroberte die Partei bekanntlich einen zweiten Nationalratssitz und auch den vor vielen Jahren verlorenen Ständeratssitz zurück. Sie dankte allen, die mit ihr auf diesem Weg unterwegs waren und sind.
Dann war es soweit, ihre Nachfolge als Präsidentin zu klären, nämlich das vorgeschlagene Duo Edith Saner (Grossrätin und schon bisher Vizepräsidentin) und Grossrätin Karin Koch Wick als Co-Präsidentinnen zu wählen. Zur Wahl empfahl Alfons Paul Kaufmann sie als Präsident der parteiinternen Findungskommission und namens des Parteivorstands. Nach einem Interview mit ihnen über ihr Engagement und ihre Ziele wurden beide mit Akklamation gewählt.
Saner lobte anschliessend Binders enormes Engagement für die Partei, im Wahlkmpf sei sie eine richtige "Kampfsau". Lob kam auch von Gerhard Pfister. Er bestätigte ihre grosse Hartnäckigkeit und Leidenschaft sowie ihren 100prozentigen Einsatz in der Partei auch auf nationaler Ebene.
Dieth: "Marianne ist uns immer einen Schritt voraus"
Eine Würdigung gab es auch von Regierungsrat Markus Dieth. Marianne Binder sei eine aussergewöhnliche, beeindruckende, gewinnende Frau, die mit ihrem Charisma, ihrer Direktheit und ihrer unverwechselbaren Art sowie ihrem grossen Engagement die Partei geprägt habe, lobte er: "Marianne ist uns immer einen Schritt voraus. Mit ihr Schritt zu halten, ist wahrlich keine einfache Aufgabe. Wir werden Dich vermissen!"
Per Direktschaltung dankte schliesslich auch die frühere Bundesrätin Doris Leuthard. Sie hatte Binder seinerzeit als Kommunikationschefin der damaligen CVP nach Bern geholt. Binder sei ein Vorbild für alle, eine tolle Frau: "Ich wünsche Dir alles Gute", schloss Leuthard.
Nach weiteren Würdigungen dankten die Teilnehmenden der sichtlich gerührten Marianne Binder mit einer stehenden Ovation.
Fraktionschef Kaufmann gab bei dieser Gelegenheit bekannt, Ziel bei den Grossratswahlen im kommenden Herbst sei die Vergrösserung der Mitte-Fraktion von heute 18 auf neu 21 Mitglieder.
"Kostenbremse-Initiative bekämpft die Ursachen"
Am Parteitag warb Grossrätin Monika Baumgartner für die Kostenbremse-Initiative, die bekanntlich von der Mitte selbst lanciert worden ist. Diese sei sehr wichtig, sind die Gesundheitskosten doch eine Hauptsorge der Bevölkerung. Immer weniger Leute könnten sich diese leisten. Baumgartner: "Eine vierköpfige Familie bezahlt dafür pro Jahr inzwischen bis 15 000 Franken." Der Mitte reicht der Gegenvorschlag des Parlaments nicht, er ist ihnen zu wenig verbindlich. "Wir wollen die Ursache und nicht nur die Symptome bekämpfen", so Baumgartner.
Was verlangt die Mitte-Initiative? Steigen die Gesundheitskosten jährlich um 20 Prozent stärker als die Löhne, muss der Bund in Zusammenarbeit mit den Kantonen und Gesundheitsakteuren Massnahmen zur Kostensenkung ergreifen. Die Initiative gebe Anreize zur Senkung der Gesundheitskosten, dies im Unterschied zur Prämien-Entlastungs-Initiative der SP, die bloss Symptome bekämpfe, so Baumgartner. Die Digitalisierung berge zusätzliches Sparpotenzial. Man lasse bewusst offen, wo man die Massnahmen ergreife. Ziel sei, dass dann alle miteinander eine Lösung finden, so Marianne Binder ergänzend.
In der Diskussion kamen auch kritisch-hinterfragende Voten. So bezweifelte eine Parteitagsteilnehmerin, ob man das - unbestrittene - Ziel so erreichen könne. Schliesslich stellte sich der Parteitag dann aber mit 100 Ja bei sieben Enthaltungen klar hinter die eigene Initiative.
Darum geht es beim indirekten Gegenvorschlag
Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative bekanntlich ab. Sie haben einen indirekten Gegenvorschlag ausgearbeitet. Demnach soll der Bundesrat in Absprache mit den Akteuren im Gesundheitswesen alle vier Jahre festlegen, wie stark die Kosten in der obligatorischen Krankenversicherung höchstens steigen dürfen. Steigen sie stärker, müssten Bundesrat und Kantone korrigierende Massnahmen prüfen. Der Gegenvorschlag tritt in Kraft, falls die Initiative abgelehnt und kein Referendum ergriffen wird. Falls die Initiative Zustimmung findet, übersteuert sie natürlich den Gegenvorschlag.
SP-Prämien-Entlastungs-Initiative würde teuer
Grossrat André Rotzetter empfahl anschliessend ein Nein zur Prämien- Entlastungs-Initiative der SP. Diese will bekanntlich, dass alle nur noch maximal 10 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Krankenkassenprämien aufbringen müssen. Die Initiative würde den Bund jährlich rund 5 Milliarden Franken kosten, den Kanton Aargau zusätzlich 56 Millionen Franken kosten, warnte Rotzetter. Dies, weil der Bund gemäss SP-Initiative zwei Drittel der Prämienverbilligung tragen müsste, die Kantone ein Drittel. Die SP-Initiative gebe keinen Anreiz, die Kosten zu senken, kritisierte er.
Aargau: Durchschnittbelastung durch Prämien bei 12 %
Durchschnittlich brauche man in der Schweiz 14, im Aargau 12 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien, so Rotzetter weiter. Im Aargau gebe es derzeit Prämienverbilligung, wenn man mehr als 17 % des verfügbaren Einkommens dafür einsetzen müsse. Davon profitiert rund ein Viertel der Bevölkerung. Rotzetter empfahl statt der SP-Initiative hier den indirekten Gegenvorschlag des Parlaments zur Annahme.
Die längere Diskussion am Parteitag zeigte, wie komplex die Materie ist, und dass die steigenden Kosten den Menschen wirklich sehr unter den Nägeln brennen.
Das brächte der Gegenvorschlag zur SP-Initiative
Heute verbilligt der Bund die Prämien automatisch stärker, wenn die Kosten der obligatorischen Krankenversicherung steigen. Die Kantone sollen dies auch tun. Der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments würde sie verpflichten, einen Mindestbeitrag zur Prämienverbilligung zu leisten. Für die Kantone entstünden Mehrkosten von mindestens 360 Millionen Franken, für den Bund dagegen keine. Der Gegenvorschlag tritt in Kraft, falls die SP-Initiative abgelehnt und kein Referendum ergriffen wird.
SP-Initiative würde den Kanton drei Steuerprozente kosten
Schliesslich brachte sich auch noch Finanzdirektor Markus Dieth in die Diskussion ein. Demnach würde die SP-Initiative den Aargau gegen 60 Millionen Franken und damit drei Steuerprozente kosten. Der Apotheker und frühere Grossrat Andreas Brunner wies auf die sehr hohe Qualität des Gesundheitswesens und darauf, dass wir immer älter werden. Man müsse sich von der Idee verabschieden, dass die Kosten irgendwann sinken.
Der Parteitag empfahl die SP-Initiative schliesslich mit einstimmig bei fünf Enthaltungen zur Ablehnung.
Diskussionsloses Ja zum Klimaartikel
Ein klares Heimspiel hatte anschliessend Fraktionschef Alfons Paul Kaufmann mit seiner Werbung für den Klimaartikel in der aargauischen Kantonsverfassung. Damit wolle man die Klimapolitik festigen, das sei so wichtig wie vor Jahrzehnten, als der Umweltartikel auf Veranlassung von CVP-Ständerat Julius Binder in die Verfassung aufgenommen wurde.
Ein Teilnehmer rief dazu auf, etwa bei Industriegeländen Boden zu entsiegeln wo es gehe, damit das Wasser versickern kann, der Klimaparagraf allein reiche nicht. Nach diesem Aufruf war der Parteitag reif für die Parolenfassung. Er unterstützt den Klimaparagraf einstimmig mit 115 : 0, diesmal ohne jede Enthaltung.
Schliesslich wurde noch die Empfehlung des Vorstands zum "Mantelerlass 2" (Stromgesetz) bekanntgegeben. Er ist einstimmig für ein Ja. Zur Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit», die einen Impfzwang verbieten will, empfiehlt der Parteivorstand der Mitte einstimmig ein Nein.