Lotsendienst für Schulkinder - so funktioniert es am Beispiel der beiden Erlinsbach
Wohl in jeder Gemeinde müssen Kinder auf dem Weg in den Kindergarten oder in die Schule stark frequentierte (Haupt)Strassen überqueren. Wie kann man ihnen dabei helfen? Etliche Gemeinden setzen an stark frequentierten Standorten einen Lotsendienst ein. Das machen auch die beiden Erlinsbach AG und SO. Auf Einladung des VCS Aargau fand dazu eine Schulwegbegehung statt.
Der VCS-Geschäftsführer (und grüne Grossrat) Christian Keller begrüsste die Teilnehmenden, unter ihnen am Thema interessierte Gemeinderäte und Lotsinnen aus den beiden Erlinsbach und von ausserhalb. An der Begehung teil nahm auch Madeleine Neumann, Gemeindepräsidentin von Erlinsbach (SO).
Keller sagte in seiner Begrüssung, dem VCS gehe es um einen umweltfreundlichen Verkehr, der allen gerecht werde: "Der Schulweg betrifft die Schwächsten. Eine Strasse ist dann gut, wenn sie für die Kinder sicher ist." Ziel des Lotsendienstes soll aus VCS-Sicht sein, dass das Kind den Schulweg - allein oder in der Gruppe - zurücklegen kann. Damit das klappt, fordert der VCS eine entsprechende Infrastruktur (Verkehrsberuhigung, Verbesserung der Querungen), organisatorische Massnahmen (Lotsendienst, Pedibus, Begleitdienste), zudem eine Verkehrserziehung und Verkehrsüberwachung (Polizei). Wenn in einer Gemeinde ein Lotsendienst nötig ist, stimme aber etwas an der öffentlichen Infrastruktur nicht, kritisierte er ganz allgemein.
An der Begehung stellten die langjährigen Lotsinnen Irene Näf und Silja Eschmann (Bild ganz oben) den Dienst für die beiden Gemeinden vor. Am Kreisel beim Dorfplatz Erlinsbach SO und an der Kreuzung Rössli weiter oben nahe dem Gemeindehaus Erlinsbach AG (beide Übergänge betreffen die stark befahrene Hauptstrasse) stehen morgen von 07.40 bis 08.10 Uhr und mittags von 11.50 bis 12.10 Uhr je zwei Lotsinnen/Lotsen. Ihre Aufgabe ist es, Kindergärtler, Schülerinnen und Schüler sowie weitere Passanten sicher über den Fussgängerstreifen zu geleiten.
Lotsen werden ausgebildet und mit 10 Franken pro Einsatz entschädigt
Lotsen werden von der Polizei zuvor in ihrer Funktion ausgebildet, entsprechend ausgerüstet (Schutzweste, Keller, im Winter Leuchtstab), von der Gemeinde versichert und pro Einsatz mit 10 Franken entschädigt. An der Begehung zeigte sich, dass die Entschädigung in anderen Gemeinden zum Teil deutlich grosszügiger (25 Franken pro Einsatz), zum Teil aber auch deutlich zurückhaltender erfolgt. Klar wurde, dass ohne Entschädigung kaum Lotsen gefunden werden können. Die beiden Erlinsbach suchen derzeit denn auch intensiv nach neuen Lotsinnen und Lotsen, um diesen Dienst voll erbringen zu können.
Die Gemeinden suchen Lotsen via Gemeindemitteilungen, in den beiden Dörfern hängen Aufrufe, Flyeraktionen werden durchgeführt. Die Rückmeldungen seien "aber leider nicht berauschend", so Silja Eschmann. Der beste Erfolg ergebe sich am ehesten, sagte Irene Näf, wenn man jemanden persönlich darauf anspreche.
Seitens von Eltern hören Näf und Eschmann, sie hätten gern Lotsen auch anderen Standorten, dafür hätten sie aber schlicht die Leute nicht. Als Lotsen eingesetzt werden Erwachsene, aber auch viele Oberschülerinnen und - schüler. Klar sei, dass bei diesem Dienst volle Aufmerksamkeit gefordert ist, das Handy dann natürlich komplett weggesteckt gehört. Die Oberstufenschüler machen das aber sehr gut, war in Erlinsbach zu hören.
Viele Velofahrer und einzelne Fussgänger ignorieren leider Lotsen
Dass der Lotsendienst an der Hauptstrasse nötig ist, zeigt eine Verkehrszählung von Irene Näf und Silja Eschmann an den beiden Lotsenstandorten am 5./6. und 7. Juni. Da zählten sie beispielsweise beim Kreisel von 07.40 bis 8.10 Uhr 25 Fussgänger/innen, 345 Fahrzeuge mit Motor (PKW, Lastwagen, Töff etc.) und 46 Fussgänger am Mittag von 11.50 bis 12.20 Uhr. Gerade beim Kreisel queren jeweils auch viele 4- bis 5-jährige Kindergärtler den Fussgängerstreifen.
Autos zu schnell?
An der Begehung gab es denn auch Kritik, dass die Autos ziemlich schnell angefahren kommen. Gemeindepräsidentin Madeleine Neumann sagte dazu, auf den Quartierstrassen gelte Tempo 30, auf der Hauptstrasse Tempo 50. Man sei aber in Verhandlung mit dem Kanton, ob man das Tempo am Kreisel (Bild oben) auf 30 senken könne.
Wenn eine Lotsin mit erhobener Kelle den Verkehr zugunsten der Fussgänger stoppt, ist dies ein verbindliches Signal, an das sich die Verkehrsteilnehmenden halten müssen. Automobilisten tun das auch, allerdings flitzen viele Velofahrer rücksichtslos vorbei. Auch einzelne Fussgänger ignorieren die Lotsen und queren den Fussgängerstreifen nach Gutdünken. Ursprünglich habe man tatsächlich nur Schulkinder gelotst, aber realisiert, dass dies die Automobilisten verwirre, hiess es an der Begehung. Jetzt werden alle den Streifen querenden Personen in diesen Zeiten am Morgen und Mittag gelotst.
Die leidigen Elterntaxis - auch in Erlinsbach
Bei der Begehung des Schulweges zum Schulhaus Mühlematt und zum daneben stehenden Kindergarten wurde natürlich auch das Elterntaxi zum grossen Thema. In Erlinsbach wie an vielen anderen Orten sind Eltern, die ihre Kinder zum Schulhaus bringen, ein grosses Problem. Alle Aufrufe nützen wenig. Sollte man zu einem Halteverbot greifen, würden manche Eltern wohl gar einen Rollstop riskieren, was noch heikler wäre, befürchten manche. Eine rechtliche Handhabe, Elterntaxis zu verbieten, gibt es nicht.
Alternativen zum Lotsendienst, wenn Leute fehlen
Roger Bader, Fachverantwortlicher Verkehrsinstruktion bei der Kantonspolizei Solothurn, erläuterte, wie sie für Kindergärtler und Schülerinnen Verkehrsinstruktion machen und wie sie Lotsen (theoretisch und praktisch) ausbilden. Er hat schon in manchen Gemeinden erlebt, wie Lotsendienste fast euphorisch gestartet wurden, dann aber irgendwann einschliefen.
Wenn Lotsen fehlen, sei der Pedibus (vergleiche Link oben) eine gute Alternative, das gehe auch mit weniger Leuten. Elterntaxis goutiere man gar nicht, so Bader. Doch ist der Kampf dagegen offenbar eine Sisyphusarbeit. Wenn man ein Halteverbot einrichtet und einige Tage kontrolliert und büsst, lasse es deutlich nach. Sobald die Polizei nicht mehr vor Ort sei, seien die Elterntaxis alle wieder da. Auch direkte Ansprachen der Eltern und Abgabe mehrsprachiger Flyer nützen offenbar zu wenig.
Helfen Schulprojektwochen, sodass Kinder die Eltern sensibilisieren?
Bader kann sich als Alternative auch ausserhalb des Schulgeländes übersichtliche Haltepunkte vorstellen, an denen Kinder aus- und eingeladen werden können, sodass diese mindestens das letzte Stück zur Schule zu Fuss zurücklegen müssen, und nicht unnötig Autos bei der Schule herumkurven und andere Kinder gefährden.
Projektwochen in den Schulen bringen etwas, hiess es weiter. Damit werden die Kinder für die Thematik sensibilisiert, und erklären es dann ihren Eltern. Manchmal hilft offenbar wenigstens das etwas.