Kein Bericht zur sexuellen Gesundheit von Sexarbeitenden in der Schweiz

Mit einem Postulat hat Nationalrätin Yvonne Feri (SP/AG) Ende 2022 den Bundesrat beauftragen wollen, "in einem Bericht aufzuzeigen, welche Auswirkungen die vielerorts prekäre Situation im Sexgewerbe auf die sexuelle Gesundheit von Sexarbeitenden und die Prävention von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI) hat.

Heute, am 30. Mai 2024, war der Vorstoss im Nationalrat traktandiert. Feri ist letztes Jahr bekanntlich nicht mehr für die Nationalratswahlen angetreten. Gewissermassen "Gotte" für den Vorstoss wurde daraufhin Nationalrätin Tamara Funiciello (SP/BE).

Ablehnung mit 115 : 74 Stimmen

Der Rat lehnte den Vorstoss auf Empfehlung des Bundesrates ab - mit 115 : 74 Stimmen. Das dürfte Yvonne Feri schmerzen, und wohl auch, dass Tamara Funiciello laut dem zweiten Vizepräsidenten des Rats, Pierre-André Page, nicht im Saal war, als der Vorstoss an der Reihe war. Page sagte gemäss Protokoll: "Le postulat Feri Yvonne a été repris par Madame Funiciello. Madame Funiciello n'est pas dans la salle. Le Conseil fédéral propose de rejeter le postulat." So kam es auch zu keiner Debatte.

Feri hatte in ihrem Vorstoss den Bundesrat nebst einem Bericht auch um Antworten auf zahlreiche Fragen gebeten. Zur Begründung hatte sie auf die Corona-Pandemie und die Corona-Massnahmen verwiesen. Diese hätten zu einer Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Sexarbeitenden geführt.

Feri schrieb: "Die monatelangen kantonalen Arbeitsverbote führten zu finanziell, gesundheitlich und sozial teils prekären Bedingungen. Fachorganisationen stellen fest, dass sich die Lebenssituation von Sexarbeitenden auch seit Aufhebung der Covid-Massnahmen nicht erheblich verbessert hat. In mehreren Kantonen fehlt es an niederschwelligen Angeboten, die sich an Sexarbeitende richten. Dies alles hat negative Auswirkungen auf die sexuelle Gesundheit der Betroffen und auch auf die Prävention von HIV und anderen STI und die öffentliche Gesundheit."

"Überdurchschnittlich häufig mit Gesundheitsrisiken verbunden"

Der Bundesrat hat bereits im Jahr 2023 auf den Vorstoss geantwortet. Er sei sich bewusst, schrieb er, "dass die Arbeit im Sexgewerbe überdurchschnittlich häufig mit Gesundheitsrisiken und prekären Lebenskontexten verbunden ist". Er sei überzeugt, dass es zum Schutz der Gesundheit von weiblichen, männlichen und trans Sexarbeitenden spezifische Massnahmen braucht.

Wie er jedoch in der Beantwortung einer früheren Motion "Wirksame Ausstiegsprogramme zur beruflichen und sozialen Neuorientierung für Menschen, die aus der Prostitution aussteigen wollen" erklärt habe, seien primär die Kantone dafür zuständig. Mehrere Kantone finanzieren niederschwellige zielgruppenspezifische Fachstellen für Gesundheitsfragen und Soziales sowie aufsuchende Angebote, schrieb er weiter.

Für die Identifizierung von Lücken bzw. die Entwicklung von ergänzenden Massnahmen zur Verbesserung der Gesundheit von Sexarbeitenden sei eine Erfassung der Gesundheits- und Versorgungssituationen in den Kantonen wichtig. Die Zuständigkeit und die Daten lägen jedoch bei den Kantonen.

Der Bund unterstütze in dem für ihn möglichen Bereich - Prävention von sexuell übertragbaren Infektionen - verschiedene Aktivitäten, welche den Sexarbeitenden zu Gute kommen. Es sei geplant, dass der Bundesrat bis zum Auslaufen des Nationalen Programms HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen (NPHS) per Ende 2023 über ein Folgeprogramm entscheiden werde.

Während der Entwicklung des neuen Programms würden unter anderem Massnahmen für die Prävention von sexuell übertragbaren Infektionen im Sexgewerbe geprüft. Dabei würden auch Schnittstellen zu weiteren Themen, die für Sexarbeitende relevant sind - wie zum Beispiel sexuelle und reproduktive Gesundheit sowie Soziales - und der Zugang zu zielgruppenspezifischen Präventionsangeboten geprüft.

Bund klärt eine verstärkte Koordination mit den Kantonen

Da die Umsetzung dieser Aufgaben mehrheitlich in der Zuständigkeit der Kantone liegt, werde eine verstärkte Koordination mit den Kantonen geklärt. Der langen Rede kurzer Sinn: Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Postulates. Der Nationalrat folgte ihm am 30. Mai 2024 wie oben bereits dargestellt.

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