Grosser Rat lehnt FDP-Vorstoss für flächendeckende Förderklassen im Aargau ab
Im letzten Traktandum des heutigen Tages fordert Sabina Freiermuth namens der FDP-Fraktion mit einer Motion eine flächendeckende Führung von Förderklassen im Kanton Aargau.
Der Regierungsrat soll beauftragt werden, dem Grossen Rat die notwendigen gesetzlichen Anpassungen zu unterbreiten, damit der heilpädagogische Unterricht und andere Unterstützungsmassnahmen nicht mehr in den Regelklassen stattfinden. Bei Bedarf sollen stattdessen alle Kinder Zugang zu heilpädagogisch geführten Förderklassen haben. Die Regierung lehnt den Vorstoss ab. Damit ist Freiermuth nicht einverstanden. Die FDP hält den Vorstoss aufrecht. So kommt es zur Diskussion.
Zur Umsetzung des Anliegens regt die FDP die folgenden Rahmenbedingungen an: • Auf Entscheid des Gemeinderats werden den Förderklassen Kinder zugeteilt, ▪ die kleinere Lerngruppen benötigen, um sich entfalten zu können, ▪ die wegen ihres auffälligen Verhaltens nicht oder vorübergehend nicht in eine Regelklasse integriert werden können. • Die Durchlässigkeit zwischen Förderklassen und Regelklassen soll gewährleistet sein und eine entsprechende Einteilung soll regelmässig überprüft werden. • Die Förderklassen sollen von einer eigenständigen Förderlehrperson mit voller Klassenverantwortung unterrichtet werden. Denkbar sind Förderklassen an jeder Schule, an jedem Schulort oder auch regionale Förderklassen. • Der Unterricht soll sich am Lehrplan orientieren, um eine Rückkehr in die Regelklasse zu ermöglichen.
Grüne: vehement nein "zu Zwang zu Separation"
Das sieht Ruth Müri (Grüne) ganz anders. Die integrative Schule sei keineswegs gescheitert. Wenn wirklich ein grosses Bedürfnis nach separativer Schulung bestünde, wären die gesetzlichen Grundlagen bereits da, sagt Müri. Es sei naiv von der FDP, wenn sie glaube, eine flächendeckende Einführung von Förderklassen könne ohne grosse Kosten für Kanton und Gemeinden erfolgen, kritisiert sie.
Genau gleich sieht es Markus Lang (GLP). Der Vorstoss sei unnötig und undurchdacht, kritisiert er. Flächendeckende Förderklassen würden sämtliche heilpädagogischen Ressourcen bindet, kritisiert auch er. Die GLP lehnt den Vorstoss ab.
Auch die Mitte hält klar an integrativer Schule fest
Für die Mitte sagt jetzt die kantonale Mitte-Co-Präsidemtin Edith Saner, das Modell der integrativen Beschulung werde in vielen Kantonen diskutiert, sagt sie. Das sei verständlich. Es brauche eine fachliche Abklärung für Kinder, die den Unterricht stören. Es brauche Fachpersonen vor Ort, da gebe es grosse Lücken. Die Mitte unterstützt die integrative Schule, anerkenne aber, dass es entsprechende Massnahmen dafür brauche, so Saner weiter. Der FDP-Vorstoss sei nicht nachhaltig und organisatorisch nicht umsetzbar. Die Mitte lehnt den Vorstoss einstimmig ab.
SP: Bräuchte unzählige zusätzliche Räume
Als nächste spricht namens der SP Carole Binder-Meury. Die integrative Schule sei noch nicht da, "wo wir sie haben wollen", sagt sie. Und es gebe tatsächlich Lehrkräfte, die am Anschlag sind. Doch der FDP-Ansatz sei nicht der richtige. Die neue Ressourcierung biete für die Klassen neue, auf die Bedürfnisse abgestimmte Möglichkeiten. Der FDP-Vorstoss würde unzählige zusätzliche Schulräume bedingen. Es lohne sich, ins integrative Schulsystem zu investieren, appelliert sie. Die Rückkehr zum separativen Schulsystem "käme mit Sicherheit sehr teuer zu stehen,", so Binder-Meury.
SVP unterstützt FDP "grossmehrheitlich"
Wieder ganz anders tönt es beim SVP-Sprecher Miro Barp. Seine Fraktion unterstützt grossmehrheitlich den FDP-Vorstoss. Die integrative Heilpädagogik" habe zu einem Wildwuchs und zu einer Überforderung der Lehrpersonen geführt, kritisiert er. Sie sei unsozial. Vermehrte Förderklassen wären mit dem Behindertengleichstellungsgesetz vereinbar, so Barp. Für Heilpädagogen/innen wäre es attraktiver, eigene Klassen mit einem vollen Pensum zu haben, ist Barp überzeugt.
EVP lehnt Vorstoss klar ab
Wieder ganz anders klingt es bei EVP-Sprecher Uriel Seibert. Er fordert auf, in die Schule nach Reinach zu kommen. Da gebe es schwierige Schüler, doch hier werde konzentriert gearbeitet, "es funktioniert", so Seibert, "selbst die "Problemschüler" arbeiten gut mit". Ja, es gebe Klassen, in denen es nicht klappt. Aber wenn es gut aufgegleist sei, funktioniere die integrative Schule sehr gut und kosteneffizient, sagt Seibert.
Nach Einzelvotanten/votantinnen spricht jetzt noch Bildungsdirektor Alex Hürzeler, danach wird abgestimmt. Eine Ablehnung des Vorstosses zeichnet sich klar ab.
Hürzeler: weder der integrative Unterricht noch dessen Verbot ist ein Heilsbringer
Es ist eigentlich alles gesagt. Nun legt aber noch der Bildungsdirektor die Sichtweise der Regierung dar, die den Vorstoss ablehnt. Hier gehe es um eine sehr wichtige Fragen im aargauischen Bildungssystem, betont Alex Hürzeler. Weder im integrativen Unterricht noch in dessen Verbot sehe man einen Heilsbringer. Der Vorstoss der FDP verlange aber eine Vorentscheidung und nicht etwa nur einen klärenden Bericht für weitere Debatten. Am Schluss würde wohl gar das Volk entscheiden. Er sei nicht sicher, ob die FDP genau das wolle, was hier stehe, so Hürzeler weiter.
Die Kleinklassen nähmen ab, so Hürzeler. Die Schulen seien sehr belastet, der integrative Unterricht, wie er derzeit im Aargau unterwegs ist, sei knapp genügend, nicht sehr gut. Aber nicht aufgrund des Systems sondern aufgrund des Fachkräftemangels.
Der Rat lehnt den Vorstoss der FDP deutlich mit 75 : 53 Stimmen ab.
Ratspräsidentin Mirjam Kosch beendet damit die heutige Ratssitzung. Die nächste findet am 19. November statt. Da geht es dann um das Budget 2025.