Rettungsgrabung fördert römischen Grossbau an der Limmat zutage
Im Vorfeld einer grossen Überbauung in Gebenstorf führt die Kantonsarchäologie eine Rettungsgrabung in zwei Kampagnen durch. Direkt an der Limmat liegt eine römische Siedlungsstelle mit gut erhaltenen Steinbauten. Der Komplex ist laut einer Mitteilung des Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) von grosser Bedeutung, weil er Antworten liefere zum Verhältnis des Militärlagers Vindonissa und seinem Umland.
Schon beim Voraushub im Vorfeld der geplanten Grabung kamen demnach auf der Bauparzelle zwischen Limmatstrasse und Vogelsangstrasse erste Mauerfundamente und römischer Bauschutt, sowie einzelne Funde zutage. Hier in Gebenstorf im "Steinacher", etwa 2,2 Kilometer vom römischen Legionslager in Vindonissa entfernt, ist eine Wohnüberbauung mit Tiefgarage vorgesehen. Noch vor Baubeginn dokumentiert nun die Kantonsarchäologie die archäologischen Überreste, bevor sie neuem Wohnraum weichen müssen. Die Rettungsgrabung hat Anfang April begonnen.
Die Erdarbeiten betreffen laut Mitteilung eine archäologisch relevante Fläche von 3'200 Quadratmetern. Hier wird das Terrain mehrere Meter tief abgetragen werden. Fundmeldungen seit dem 17. Jahrhundert und gezielte Untersuchungen der Kantonsarchäologie im Zeitraum von 2017 bis 2023 belegen demnach in und um die betroffene Parzelle eine ausgedehnte römische Siedlungsstelle mit stellenweise gut erhaltenen Steinbauten.
Vor 2000 Jahren gab es hier einen Friedhof
Unmittelbar westlich der betroffenen Parzelle lag vor 2'000 Jahren ein antiker Friedhof mit Grabsteinen von in Vindonissa stationierten Soldaten. Wie ähnliche Konstellationen im Römischen Reich zeigen, wurden Siedlung und Gräberfeld von Gebenstorf in einem offenbar rechtlich verbindlichen Abstand – lateinisch: "extra leugam" – zum zugehörigen Garnisonsort Vindonissa angelegt. Die Leuge ist eine römische Meile und entspricht 2,22 Kilometern und damit genau dem Abstand zwischen dem Legionslager und der Siedlungsstelle in Gebenstorf.
Grosser Speicher- oder Magazinbau
Bereits 2019 und 2020, als noch kein konkretes Bauprojekt vorlag, führte die Kantonsarchäologie ihren Feldkurs mit Freiwilligen im Steinacher in Gebenstorf durch. Dabei dokumentierten die Freiwilligen unter der Leitung der Kantonsarchäologie Mauern eines grossen Steinbaus, dessen Bauweise mit vorspringenden Strebepfeiler- und Pilasterfundamenten auf einen Speicher oder ein Magazin hinweist. Denkbar ist aber auch ein Monumentalbau mit administrativer Funktion. An Funden überwogen Amphorenscherben, die am ehesten an eine Art Umladestation unmittelbar südlich der Limmat denken lassen.
Rettungsgrabung in zwei Kampagnen
Die geplanten Baumassnahmen umfassen laut Mitteilung den tiefgreifenden Bauaushub für das Unter- und Erdgeschoss, Erdeingriffe für Werkleitungen und Anlagen, Abträge für Baustellen-Installationen und Terrainveränderung im Zuge der Umgebungsgestaltung. Dadurch werden die im Boden erhaltenen römischen Überreste zerstört, weshalb die Kantonsarchäologie gemäss gesetzlichem Auftrag die Flächen vorgängig wissenschaftlich untersucht, dokumentiert und die Funde sichert. Die Rettungsgrabung findet in zwei Grabungsetappen von April bis November 2024 und März bis Mai 2025 statt. Der Bauperimeter wird bereits Anfang Juni 2025 für den Neubau freigegeben, der Westteil sogar schon im Herbst 2024. Hier greifen Ausgrabung und Bauprojekt eng ineinander. Die wissenschaftliche und konservatorische Nachbearbeitung der geborgenen Kleinfunde erstreckt sich dann noch bis im November 2025.
Eine "Plansiedlung" zwischen Reuss und Limmat
Die Ausgrabung in Gebenstorf sichert nicht nur die archäologischen Hinterlassenschaften, sondern ermöglicht auch einen Erkenntnisgewinn für die Geschichte von Vindonissa. Aus wissenschaftlicher Sicht ist nämlich der Komplex dieser "Plansiedlung" von grosser Bedeutung, da hier auf weitgehend ungestörtem Areal noch wesentliche Aussagen zur in der internationalen Forschung intensiv diskutierten Frage nach dem Verhältnis zwischen römischen Militärlagern und ihren Zivilsiedlungen gewonnen werden können. Die Resultate der Ausgrabung werden im weiteren Verlauf der Untersuchung mit Grabungsführungen vermittelt. Man darf gespannt sein auf die kommenden Wochen.