Giezendanner: "Da macht Trump einen Jahrhundertfehler, wenn er nicht ganz schnell zurückrudert"

Giezendanner: "Da macht Trump einen Jahrhundertfehler, wenn er nicht ganz schnell zurückrudert"
AGV-Präsident Benjamin Giezendanner bei seiner Präsidialansprache.

Der Aargauische Gewerbeverband (AGV) hat in Safenwil in Anwesenheit von Ständerat Thierry Burkart (FDP) und den Nationalrätinnen Stefanie Heimgartner (SVP) und Irène Kälin (Grüne) seine Frühlings-Delegiertenversammlung durchgeführt.

Nach der Begrüssung durch AGV-Geschäftsleiter Urs Widmer überbrachte Landstatthalter Stephan Attiger die Grussworte der Regierung. Er entschuldigte sich gleich, dass er bald wieder gehen müsse. Er werde an einer Besprechung zur Versorgungssicherheit der Schweiz teilnehmen. Attiger: "Zum Glück ist das wieder ein Thema." Man wolle dekarbonisieren und gleichzeitig KKW vom Netz nehmen, "da entsteht eine riesige Stromlücke, vorab im Winter". Beim Ausbau der Winterproduktion sei man aber nicht gut unterwegs, so Attiger. Es harze bei neuen Windkraftwerken, ebenso bei den geplanten Solarparks in den Alpen.

Kanton organisiert runden Tisch zum Thema Baubewilligungen

Nachdem der AGV an seinem Neujahrsapéro den Finger auf die Baubewilligungsproblematik gelegt hat, will sich der Kanton jetzt dem Thema Baubewilligungen widmen, so Attiger weiter. Man brauche heute weniger Land für Neubauten, die gewollte Innenverdichtung sei aber "komplexer und konfliktanfälliger als auf der grünen Wiese zu bauen". Es gibt viele Einsprachen. Nun will der Kanton laut Attiger noch vor den Sommerferien mit allen Involvierten einen runden Tisch durchführen und sehen, wie die Probleme sind, und ob man die Bewilligungsverfahren beschleunigen kann.

Giezendanner für Beibehalten von "freundlicher Distanz"

AGV-Präsident Benjamin Giezendanner seinerseits sagte in seiner Präsidialansprache, die Schweiz sei erfolgreich im Aussenhandel, "weil wir immer eine freundliche Distanz zu unseren Nachbarn hatten". Mit Blick auf die USA stellte er fest, deren Zollpolitik ändere derzeit ständig. Das sei nicht hilfreich für die Schweiz. Es sei ein ehrbares Ziel von Donald Trump, verloren gegangene Arbeitsplätze zurückzuholen. Ob es funktioniert, sei aber fraglich.

Auch Zusatzinvestitionen und Fabrikbau klappen nicht so schnell. Bei einem hohen Handelsbilanzdefizit, das die USA mit vielen Ländern hat, müsse man handeln, doch exportieren die USA auch enorme Dienstleistungen. Im Gegenzug kommen etwa aus der Schweiz grosse Direktinvestitionen in den USA. Wenn Roche und Novartis dort jetzt Dutzende Milliarden investieren, dann wird uns dieses Geld fehlen, so Giezendanner. Er sei mit sehr vielem von Donald Trump einverstanden, so der AGV-Präsident, "aber hier macht er einen Jahrhundertfehler, wenn er nicht ganz schnell zurückrudert".

Suche nach neuen Märkten und Freihandelsabkommen

Das aktuelle Verhandlungspaket der Schweiz mit der EU beunruhigt ihn enorm. Giezendanner gab zu bedenken, dass die EU zudem der Schweiz gegenüber einen Handelsbilanzüberschuss ausweise. Er wirbt weiterhin für eine freundliche Distanz und für die Suche nach neuen Märkten und Freihandelsabkommen.

Giezendanner dankte Stephan Attiger, dass in Sachen Baubewilligungen etwas gehen soll, und er hofft, dass dann auch wirklich etwas geht. Es freut ihn, dass Attiger bei den astronomischen Gehältern bei der Axpo Einfluss genommen hat. Die Energiezukunft bereitet Giezendanner ebenfalls Sorge. Bei Dunkelflaute (keine Sonne, kaum Wind) produzieren Solar- und Windkraftwerke kaum Strom. Das muss dann durch andere Kraftwerke (Speicherkraftwerke) ausgeglichen werden. Umgekehrt gibt es auch Tage, an denen Sonne und Wind mehr Strom hergeben, als nachgefragt wird. Dann gibt es an der Strombörse sogar Geld, wenn man Strom kauft. Giezendanner: "Wenn wir ganz ehrlich sind, haben wir inzwischen zu viel Solarstrom in der Schweiz."

Normenflut eindämmen

Giezendanner will die Normenflut eindämmen, und wehrt sich (auch deswegen) gegen Lohnanalysen schon für Firmen ab 50 Mitarbeitenden, was die Gleichstellungs-Initiative verlangt, über die der Aargauer Souverän am 18. Mai abstimmt. Der Fachkräftemangel sei inzwischen ein gigantisches Problem: "Wir haben massiven Zufluss von Leuten, die gehen aber in den Sozialstaat und nicht in den Arbeitsmarkt." Giezendanner verwies auf Indien. Dort stehen 150 Millionen Menschen im Arbeitsmarkt.

Irène Kälin in der Höhle des Löwen, Diskussionsleiter Hans R. Schibli und Adrian Schoop.

Ja zur Steuervorlage, Nein zur "Leerlauf-Initiative"

AGV-Vizepräsident Hans R. Schibli stellte schliesslich die kantonalen Abstimmungsvorlagen vom 18. Mai kurz vor. Der Aargau wolle bei Einkommens- und Vermögenssteuern unter die Top Ten der Kantone, sagte Schibli. Gegenfinanziert wird die neuste Steuerreform durch die Neubewertung der Liegenschaften und einen höheren Eigenmietwert (was für den Staat Mehreinnahmen bringt). Der Vorstand beschloss zu dieser Vorlage bereits zuvor die Ja-Parole.

An einem Podium zur Gleichstellungs-Initiative (die Gegner haben ihr den Namen Leerlauf-Initiative gegeben) kreuzten unter Schiblis Leitung anschliessend Nationalrätin Irène Kälin (Grüne, Präsidentin Arbeit Aargau) und Grossrat Adrian Schoop (FDP) die Klingen. Ihr sei klar, dass sie hier in der Höhle des Löwen nicht viel ausrichten könne, meinte sie einleitend, kämpfte dann aber beherzt und wie erwartet erfolglos. Der AGV empfiehlt die Initiative zur Ablehnung.

Wechsel im Vorstand

Thomas Lenzin gab an der Delegiertenversammlung seinen Austritt aus dem AGV-Vorstand. Als Ersatz gewählt wurde Fabian Käufeler als Vertreter von suissetec aargau Gebäudetechnik-Genossenschaft.

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