Gewerbepräsident Giezendanner: "Schweiz ist Bessermacherin, nicht Besserwisserin"
Der Aargauische Gewerbeverband (AGV) hat am 25. April in Safenwil seine Delegiertenversammlung in Anwesenheit gleich von drei Regierungsräten (Dieter Egli, Jean-Pierre Gallati, Stephan Attiger) durchgeführt. Nach der Begrüssung durch Geschäftsführer Urs Widmer sagte Landstatthalter Dieter Egli in einem Grusswort, seine Präsenz hier sei ihm eine Herzensangelegenheit.
Das Gewerbe habe eine enorme Bedeutung. Ein Beispiel für dessen Verlässlichkeit und Kundenorientierung: An einem Freitag um 17.30 Uhr, als er das Büro verliess ("Ich sage jetzt nicht, ob ich danach noch gearbeitet habe oder nicht"), kam ein Sanitärinstallateur, der notfallmässig einen Schaden behob. Diese Verlässlichkeit sei "ein Trumpf für unsere Volkswirtschaft".
Unternehmen und Staat seien bei Ausbildung und Weiterbildung gefordert, damit genug Fachkräfte verfügbar sind. Attraktiv sein müssten nicht mehr nur die Produkte, sondern auch die Arbeitsplätze. Bei den RAV hat der Kanton einen Arbeitskräfte-Service eingerichtet. Die entsprechende Hotline werde rege genutzt, freute sich Egli.
Er ging aber auch auf das Potenzial der Einwanderung ein. Er meint das Potenzial von Leuten, die nicht perfekt Deutsch sprechen. Das könne zu wenig genutzt werden, selbst wenn sie eine gute Ausbildung haben, so Egli weiter.
Ureigene Aufgabe der Unternehmer/innen sei, erfolgreich und wettbewerbsfähig zu bleiben dank Innovation und Effizienz. Aufgabe des Staates sei es, die Rahmenbedingungen dafür zu setzen. Der Kanton wolle für sie ein guter Ansprechpartner sein.
Der Aargau ist DER KMU-Kanton, so Egli weiter. Für sie setze er sich ein, sei viel in Unternehmen, um zu hören, wo sie der Schuh drückt. Er rief die Gewerbler auf, ihn anzurufen oder ihm zu schreiben, wenn sie ein Anliegen haben. Er wolle die administrative Belastung für die Firmen so wenig spürbar wie möglich machen.
Bald frei am 1. Mai und am 1. September?
Als Sozialdemokrat und Volkswirtschaftsdirektor könne er dann ja wohl am 1. Mai und am 1. September bald frei nehmen, so Egli schmunzelnd mit Blick auf die Mitteilung des Gewerbeverbandes, das AGV-Präsidium sei für zwei solche Freitage, wenn dafür zwei kirchliche Feiertage geopfert werden.
Das will der neue SGV-Direktor Urs Furrer
Anschliessend stellte sich Urs Furrer vor, der neue - im Aargau wohnhafte - Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV). Er tritt sein Amt am 1. Mai an, im Kanton Bern sei das ein Arbeitstag. Ein grosses Anliegen ist ihm die Engpassbeseitigung bei den Nationalstrassen, über die im November abgestimmt wird: "Wir müssen, wollen und werden diese Abstimmung gewinnen."
Kommunales Gewerbe im Abstimmungskampf?
Wenn das kommunale Gewerbe bei Abstimmungskampagnen als Absender auftrete, habe dieses eine hohe Glaubwürdigkeit, sagte er mit Blick auf Kritik an der Arbeit der Wirtschaftsverbände in der März-Abstimmung über die 13. AHV-Rente. Zum Mantelerlass, über den im Juni entschieden wird, hat der SGV die Ja-Parole beschlossen: "Das ist eine Notwendigkeit. Ich mache mir aber keine Illusionen, dass das reicht. Wir brauchen auch Technologieoffenheit und in Zukunft auch AKW."
Energie sei dort zuzubauen, wo man kann. Auf Trab halte das Gewerbe auch der Fachkräftemangel. Die Antwort sei eine arbeitsmarktorientierte Ausbildung. Dazu komme der Kampf gegen unnötige Bürokratie. Das Unternehmensentlastungs-Gesetz sei ein grosser Erfolg, es gelte jetzt, dieses umzusetzen.
Giezendanner: "Bauinvestitionen müssen uns beunruhigen"
AGV-Präsident Benjamin Giezendanner konnte anschliessend 80 Teilnehmende begrüssen. Erwartet werde dieses Jahr ein Wachstum von 1,5 Prozent, so Giezendanner. Doch die Bauinvestitionen stiegen nur moderat: "Das muss uns beunruhigen". Würde nicht die öffentliche Hand viel investieren, sähe es wesentlich düsterer aus.
Das Gewerbe habe sich noch nicht voll vom Nachfrage- und Energiepreisschock erholt, so Giezendanner. Jetzt müsse man reagieren und die Wachstumskräfte entfesseln: "Das geht nicht nur mit schönen Worten. Es brauche vier Schritte dafür."
Erstens der Kampf gegen die hohen Energiepreise. Mit Blick auf den Mantelerlass, über den im Juni abgestimmt wird, sagte er, es habe gute Sachen drin, aber auch Bürokratiemonster. Er bringe aber immerhin 6 Terawattstunden Winterstrom. So unterstütze der AGV die Vorlage "moderat".
Wenn man die letzten AKW abstelle, brauche es weiterhin Kernenergie, mittelfristig sei dies wohl die einzige Energie, mit der man den Anstieg des Verbrauchs auffangen könne, so Giezendanner weiter. Gaskraftwerke würden dagegen Investitionsruinen werden, prophezeite er, weil hier jede kWh CO2-bedingt massiv teurer werde. Gewerbetreibende bräuchten aber günstigen Strom.
Er rief auch dazu auf, Gewerbepolitiker, die von ihren Wahlversprechen abwichen, klar an diese zu erinnern.
Zum Arbeitskräftepotenzial sagte Giezendanner, viele junge Männer aus den Maghrebstaaten wanderten bloss in die Sozialwerke ein, nicht zum Arbeiten. Das müsse man angehen und schauen, Leute hereinzuholen, die arbeiten wollen.
International trete die Schweiz manchmal sehr hochtrabend auf, kritisierte er weiter. Die Schweiz sei eine Bessermacherin, nicht eine Besserwisserin, mahnte er. Es brauche ein Freihandelsabkommen auch mit China, da der europäische Markt stagniere.
Vizepräsident Andreas Meier gibt das Amt ab
Zurückgetreten sind aus dem 23köpfigen Vorstand der Vizepräsident und Nationalrat Andreas Meier (Die Mitte),Grossrat Alfons Paul Kaufmann (Bezirksvertreter Rheinfelden), Fabian Meier (Zurzach), Christian Ryser (Lenzburg), Roland Kuster (2. Vertretung Bezirk Baden) und Martin Kummer (Berufsverband Baumeister).
Der frühere AGV-Geschäftsführer Herbert H. Scholl führte mit gewohntem Witz als Tagespräsident die Ersatzwahlen eloquent durch. Neu gewählt wurden Robert Weishaupt (Die Mitte), Anita Kym (Rheinfelden), David Müller (Zurzach), Fabian Widmer (Lenzburg) und Stefan Wittmer (Baumeister).
Präsident Giezendanner wurde mit Akklamation bestätigt, alle wieder antretenden Vorstandsmitglieder wurden bestätigt.