Fristverlängerung für "Solar-Express"-Anlagen? Bundesrat sagt Nein, lässt aber ein Türchen offen
Damit eine Photovoltaik-Grossanlage von den Fördermassnahmen des «Solarexpress» (Art. 71a Energiegesetz) profitieren kann, muss sie bis Ende 2025 mindestens 10% der erwarteten Produktion ins Netz einspeisen. Es zeigt sich, dass diese Frist sehr knapp bemessen ist. Mehrere vielversprechende Projekte drohen daran zu scheitern. Dies schreibt Nationalrätin Gabriela Suter (SP/AG) in einer im März 2024 eingereichten Interpellation.
Sie bat deshalb den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:
- Wie beurteilt der Bundesrat die Realisierungschancen der momentan bekannten, in Planung begriffenen Projekte?
- Aus welchen Gründen wurden Projekte bisher aufgegeben oder sistiert (technische Hindernisse, zu wenig Zeit für notwendige Abklärungen, gesellschaftliche Akzeptanz)?
- Sieht der Bundesrat eine Möglichkeit, die Frist auf dem Verordnungsweg zu verlängern?
Zum Zeitpunkt des Parlamentsbeschlusses zum «Solarexpress» im Herbst 2022 existierten weltweit praktisch keine Erfahrungen mit hochalpinen Photovoltaik-Grossanlagen, schreibt Suter als Begründung. Mittlerweile zeigen sich die vielen damit verbundenen Herausforderungen:
- Geeignete Montagesysteme müssen zuerst entwickelt werden. Sie müssen extremen Schnee- und Windlasten widerstehen, aber zugleich leicht montier- und demontierbar sein. Die Module müssen genügend hoch montiert werden, damit sie auch bei grossen Schneehöhen Strom produzieren können bzw. nicht beschädigt werden.
- Unter den harschen Bedingungen müssen Spezialmodule eingesetzt werden.
- Sehr kurze Bauzeiten (Sommermonate)
- Ungenügende Kenntnisse über Flora und Fauna in hochalpinen Gebieten (Bestandesaufnahmen nur in einer kurzen Zeitperiode möglich)
- Teils ungenügende Kenntnisse über Lawinen- und Steinschlaggefahren
- Ungenügende bzw. fehlende Stromanschlüsse und Strassen
- Teils langwierige Verhandlungen mit Grundeigentümern und Gemeinden bezüglich Entschädigung.
Die vielen Herausforderungen führen dazu, dass bereits mehrere Projekte sistiert werden mussten, schreibt Suter weiter. Es fehle oft schlicht an der Zeit, die notwendigen sorgfältigen Abklärungen zu machen. Dabei wäre es im Interesse aller Beteiligten, dass die Auswirkungen auf Natur und Landschaft geprüft sind und eine lange Lebensdauer der Anlagen sichergestellt ist. Die aktuell kurze Frist führe dazu, dass viele wirtschaftlich interessante Projekte mit geringen Umweltauswirkungen auf der Strecke bleiben und keinen Beitrag an die Versorgungssicherheit leisten können. Eine Verlängerung der Frist um 1–2 Jahre würde die Situation für die meisten Projekte deutlich verbessern, kist Suter überzeugt.
Bund: knapp 40 Projekte befinden sich in der Planung
In seiner Antwort vom 22. Mai 2024 schreibt der Bundesrat jetzt, das Bundesamt für Energie (BFE) hat Kenntnis von knapp 40 Projekten, welche sich in der Planung befinden. Neun Projekte sind bisher öffentlich aufgelegt worden (Stand 13. Mai 2024). Eines davon wurde erstinstanzlich bewilligt, die restlichen acht befinden sich in kantonalen Bewilligungsverfahren. Bei 16 weiteren liegt die Zustimmung der Standortgemeinden vor, mit einer Baueingabe ist in den nächsten Monaten zu rechnen.
Mangels detaillierter Kenntnis zu den Projekten könne sich der Bundesrat nicht zu den Realisierungschancen der einzelnen Projekte äussern. Grundsätzlich sei die Einspeisung von mindestens 10% der erwarteten Stromproduktion bis Ende 2025 umso herausfordernder, je später ein Projekt öffentlich aufgelegt wird. Wenn es zu Beschwerden gegen erteilte Baubewilligungen kommt, sei das Einhalten der Frist deutlich erschwert.
Bisher wurden zehn Projekte von den Standortgemeinden abgelehnt
Die Gründe, weshalb Projekte bisher aufgegeben wurden, sind dem Bundesrat nicht abschliessend bekannt, schreibt er weiter. Sie können mit den Eigenschaften des Standorts zusammenhängen (Naturgefahren, mangelnde Einstrahlung, ungeeignete Bodenbeschaffenheit, fehlende Netzanschlusskapazität) oder mit der fehlenden Zustimmung der Grundeigentümerschaft respektive der Standortgemeinde. Nach dem Kenntnisstand des BFE wurden bisher zehn Projekte von den Standortgemeinden abgelehnt.
Auf die entscheidende Frage 3 gibt es eine klare bundesrätliche Antwort: Nein. Da die Frist von Ende 2025 im Energiegesetz explizit vorgesehen ist, müsste eine Verlängerung der Frist ebenfalls auf gesetzlicher Ebene beschlossen werden, begründet der Bundesrat. Ebendies habe der Nationalrat in der Wintersession 2023 im Rahmen der Beratungen zum «Beschleunigungserlass» abgelehnt. Allerdings werde der Bundesrat prüfen, inwieweit mit einer Verordnungsänderung eine Fortsetzung möglichst vorteilhafter Förderbedingungen für alpine Photovoltaikanlagen ermöglicht werden kann. Ungeachtet der Frist für die teilweise Einspeisung und somit den Anspruch auf die privilegierte Förderung bleiben die Erleichterungen im Bewilligungsverfahren bestehen, schreibt er weiter, "sofern ein Gesuch bis Ende 2025 öffentlich aufgelegt worden ist".
Mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien würden Photovoltaikanlagen ab einer gewissen Grösse auch in Zukunft erleichterte Planungsbedingungen geniessen. Voraussetzung dafür sei, dass sie in einem von den Kantonen im Richtplan festgelegten geeigneten Gebiet erstellt werden. Durch den Fokus auf geeignete Gebiete würden Landschaft und Natur geschont. Abschliessend schreibt der Bundesrat: "Die Fördervoraussetzungen für solche Anlagen werden zu gegebener Zeit in der Energieförderungsverordnung präzisiert."