Energie aus Meerwasser: Aargauer Rohre treiben Fernwärmeprojekt in Frankreich voran

Energie aus Meerwasser: Aargauer Rohre treiben Fernwärmeprojekt in Frankreich voran
Hier in Les Sables d'Olonne wird für das Verlegen der Rohre gebaggert. Fotos: BRUGG Pipes

Vor kurzem hat die BRUGG Pipes mit einem Spezialtransport sechs Rohrtrommeln nach Les Sables d'Olonne, Frankreich, geliefert. Das Rohrsystem mit dem weltweit niedrigsten Wärmeverlust wird an der französischen Küste für ein innovatives Fernwärmenetz mit Energie aus dem Meer eingesetzt. Dies teilt die BRUGG Group mit. Dabei legte ein 25 Jahre altes Entwässerungssystem den Grundstein für das heutige Fernwärmenetz.

Fernwärmenetze vor weiterem Ausbau - auch dank Meerwasser?

Laut einer Studie der Universität Aalborg sollen Fernwärmenetze bis 2050 rund 48 Prozent des Wärmebedarfs der EU decken, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen.1 Als Wärmelieferanten in Fernwärmenetzen dienen häufig befeuerte Heizkraftwerke und Blockheizkraftwerke. Was viele nicht wissen: Auch See- oder Meerwasser könnte in Zukunft eine wichtige Energiequelle sein, denn das Potenzial für saubere, lokale und unerschöpfliche Energie ist enorm.

Innovatives Projekt in Les Sables d'Olonne mit Rohren aus der Schweiz

In Les Sables d'Olonne, rund 100 Kilometer südlich von Nantes, sind Baumaschinen am Werk, vor allem Bagger, die unter den staunenden Blicken der Bevölkerung mehrere hundert Meter lange Gräben ausheben. Ähnliche Arbeiten wurden bereits vor 25 Jahren durchgeführt: Damals ging es darum, ein System von Drainagerohren zu vergraben, um den Wiederaufbau des Strandes zu erleichtern und seine Erosion zu begrenzen.

Die Rohre aus Kleindöttingen liegen bereit.

Bevor dieses abgelassene Wasser ins Meer eingeleitet wird, wird es nun zur Speisung eines Wärmepumpensystems verwendet, ein Prozess, der als Thalassothermie bezeichnet wird. Das französische Unternehmen ECOPLAGE hat das Projekt unter der Marke Enerplage® laut Mitteilung der BRUGG Group als Hauptauftragnehmer von Anfang an konzipiert und getragen.

«Mit 7 °C heißem Wasser produzieren wir 80 °C warmes Wasser"

Das erwärmte Süsswasser wird in einem vom Meerwasser getrennten Netz transportiert und in die Innenstadt umverteilt.3 «Mit 7 °C heißem Wasser produzieren wir 80 °C warmes Wasser und stellen uns daher vor, 1.000 Tonnen CO2 pro Jahr in die Atmosphäre abgeben zu können», sagte der Bürgermeister und Präsident der Agglomeration Les Sables d'Olonne, Yannick Moreau gegenüber France Bleu 4 . «Unter dem Strand von Les Sables d'Olonne gab es bereits Drainagerohren, die jahrzehntelang Meerwasser gepumpt hatten, um den Sand am Strand zu halten. Wir nutzen das Wasser aus der Entwässerung und die Pumpen, die bereits an der Küste vorhanden sind, um mit einer Wärmepumpe Energie zu erzeugen, die diese Gebäude heizt.»

Fernwärmerohre von Kleindöttingen nach Frankreich

«Anfangs Februar wurden sechs Trommeln mit je 205 Meter CALPEX PUR-KINGFernwärmerohren von Kleindöttingen nach Frankreich geliefert. Für die 3.8 Meter hohen Rohrtrommeln mit je einem Gewicht von 910 kg wurde ein Spezialtransport benötigt», sagt Martin Rigaud, Leiter Fernwärme bei der BRUGG Pipes. Der gelieferte Rohrtyp wurde Mitte Januar vom Danish Technological Institute (DTI) zum 7. Mal in Serie zum Rohr mit dem weltweit niedrigsten Wärmeverlust ausgezeichnet.

Weitere Ansicht der Vorbereitungsarbeiten.

«Auch die Länge der am Stück gelieferten Rohrsysteme sowie die kundenspezifischen Abzweigstücke waren ausschlaggebend für die Auftragsvergabe an die BRUGG Pipes» ergänzt Rigaud. Die Rohre wurden vom französischen Unternehmen Atlantique Travaux Publics (ATP) verlegt und montiert. Die Rohrsysteme wurden mit einem Spezialtransport von Kleindöttingen nach Les Sables d’Olonne geliefert.

Auch in der Schweiz: See- und Flusswasser als Energiequelle

Und in der Schweiz? Die Nutzung von Seewasser als Energiequelle ist in der Schweiz eigentlich nicht neu. Schon 1938 nutzte Zürich Wasser aus der Limmat zur Beheizung des Rathauses. In den folgenden Jahren gab es weitere Projekte, etwa für das Schwimmbad City und Gebäude in der Innenstadt. Nach dem Zweiten Weltkrieg stagnierte die Entwicklung, unter anderem wegen niedriger Ölpreise. Erst nach der Ölkrise der 1970er-Jahre wurde das Thema wieder relevant.

Bereits der nächste Arbeitsschritt beim Verlegen des Rohrsystems.

Seit den 1980ern nutzt Stockholm Meerwasser für sein Fernwärmenetz, mit der weltweit grössten Wärmepumpenanlage (180 MW). Auch in der Schweiz gewann die Seewassernutzung wieder an Bedeutung, besonders seit der Jahrtausendwende mit neuen Seewasserverbunden an grossen Seen, wie beispielsweise in Zürich aus dem Zürichsee, in Luzern aus dem Vierwaldstättersee, in Basel aus dem Rhein und in Genf aus dem Lac Léman. In der Studie von EnergieSchweiz (Bundesamt für Energie BFE) wird festgehalten, dass Gewässer wie Flüsse und Seen ein enormes Potenzial zum Heizen und Kühle aufweisen.

Gemäss Energie 360° könnte allein aus Schweizer Seen Wärme- und Kühlenergie für ein bis zwei Millionen Menschen gewonnen werden. Das Potenzial liegt gemäss Energie 360° bei bis zu zwei Gigawatt, was der Leistung von zwei Kernkraftwerken entspricht. Bei Schweizer Projekten unterstützt die BRUGG Pipes ebenfalls mit der Lieferung und der Installation von Fernwärme- und kälterohren. So konnte BRUGG Pipes beispielsweise im März 2022 zusammen mit der Energie Wasser Luzern (ewl) ein Projekt mit Seewasser umsetzen. Die Fernwärme- sowie Kühlungsleitungen verbinden über den Aussenbereich die Energiezentrale des Mehrzweckgebäudes «House of Energy» mit den bestehenden Ausstellungsgebäuden.

Mit den künftig steigenden Temperaturen dürften in der Schweiz auch die Bedeutung der Kühlung durch See- oder Flusswasser langfristig an Wichtigkeit gewinnen. Verlegung der Fernwärme-Rohr im Verkehrshaus der Schweiz, 2022.

So funktioniert eine Seewasserfassungsanlage

«In 20 bis 40 Metern Tiefe wird Wasser aus dem See ans Ufer gepumpt. Über einen Wärmetauscher wird die Wärmeenergie des in dieser Tiefe 4 bis 10 Grad warmen Seewassers auf ein Kältemittel in einem separaten Kreislauf übertragen. Das Seewasser wird nach Abgabe der Energie sauber und unversehrt wieder zurück in den See geleitet. Wichtig zu wissen: Das Kühlmittel zirkuliert in einem geschlossenen Kreislauf. Es kommt weder mit dem Seewasser noch mit dem Heiz- und Brauchwarmwasser je in Berührung. Das im Wärmetauscher temperierte Kühlmittel verdampft und erhöht seine Temperatur beim Durchströmen eines Kompressors.

Ähnlich wie die Luft, die sich beim Zusammenpressen in einer Velopumpe erwärmt. In einem weiteren Wärmetauscher gibt das Kühlmittel die Wärmeenergie an das Heiz- und das Brauchwarmwasser weiter. Dieses wird so auf die gewünschte Temperatur erhitzt und dann in die angeschlossenen Haushalte geleitet. Dasselbe Prinzip – nur umgekehrt – wird bei der Kühlung angewendet.»

Ungenutztes Potenzial in Deutschland

Obwohl auch im grossen Nachbarland Deutschland ein grosses Potenzial für die Nutzung von See-, Fluss- oder Meerwasser vorhanden ist, bleibt dieses weitgehend ungenutzt. Eine Studie des Bundesverbandes Wärmepumpe zeigt, dass neben möglichen Wirtschaftlichkeitsproblemen und dem geringen Bekanntheitsgrad auch das deutsche Wasserrecht den Einsatz von Seewasser-Wärmepumpen erschwert. «Mit der Potentialanalyse wurde in einem Umkreis von 1000 m um alle Seen > 50 ha ein jährlicher Wärmebedarf von insgesamt 58,73 TWh ermittelt; dies entspricht 4,6% des gesamten Wärmebedarfs in Deutschland.

Würde diese Wärme nun mittels seewasserbetriebenen Wärmepumpen (WPSee) bereitgestellt, könnten auf diese Weise 8,58 Mio. t CO2- Äquivalente vermieden werden. Dies wiederum entspricht 1,13% der gesamten Treibhausgasemissionen der Energiewirtschaft in Deutschland», hält die Studie fest. Wie gross der Anteil von See-, Fluss- und Meerwasser für den Ausbau der Fernwärmenetze in Europa sein wird, bleibt also weiterhin offen. Sicher hingegen ist, dass bereits 2026 in les Sables d'Olonne 17 Gebäude – darunter das Schwimmbad, das Kongresszentrum, das Rathaus, das Collège Pierre Mauger, die Gartenschule und das Museum der Abtei SainteCroix – mit Meerwasser beheizt werden.

Wer ist BRUGG Pipes?

Die BRUGG Pipes, die zur BRUGG Group AG gehört, produziert und vertreibt Rohrsysteme für den sicheren und effizienten Transport von Flüssigkeiten, Gasen und Wärme. Von der Beratung über die Verlegung bis zum Projektmanagement und der Montage mit eigenem, ausgebildetem Personal ist BRUGG Pipes der zuverlässige und kompetente Partner in den Bereichen Nahwärme, Fernwärme, Kühlung, Kaltwasser, Industrie, Tankstellen und Tankanlagen. Die BRUGG Pipes beschäftigt in der Schweiz rund 360 Personen.