Eine halbe Million Glasfaseranschlüsse sind aufgeschaltet, alles für die Katz?
Der Aargauer FDP-Nationalrat Matthias Samuel Jauslin hat am 15. März im Bundeshaus eine Interpellation eingereicht. Beim Ausbau des Glasfasernetzes (FTTH) belege die Schweiz im internationalen Vergleich nur einen Platz im hinteren Mittelfeld, schreibt er darin. Ein Grund dafür seien die vom Bundesgericht bestätigten vorsorglichen Massnahmen der Weko gegen den Glasfaserausbau der Swisscom.
Die Swisscom muss demnach den bereits getätigten Glasfasernetzausbau so umgestalten, dass Drittanbieter einen direkten physischen Zugang auf die Leitungen der Kunden haben. Damit werde aber auch eine vorläufige Aufschaltung von rund 500'000 betriebsbereiten Glasfaseranschlüssen verhindert, so Jauslin. Der Umbau der gesperrten Anschlüsse werde Jahre in Anspruch nehmen. Davon betroffen seien Privathaushalte, aber auch Schulen und Geschäfte (KMU).
Der Bundesrat könnte auf Gesuch hin tätig werden, um diesen Schaden beim Ausbau der modernen Telekomindustrie zu beheben, schlägt Jauslin vor. Er habe mit Art. 92 der Bundesverfassung einen Versorgungsauftrag für Fernmeldedienste, was Grund für ein entsprechendes Handeln wäre.
Darum sind dem Bundesrat die Hände gebunden
In seiner jetzt vorliegenden Antwort verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahme auf eine frühere Interpellation zum Entscheid der Weko. Da habe er darauf hingewiesen, dass er aufgrund der rechtlichen Kompetenzordnung bei Entscheiden der Wettbewerbskommission (WEKO) nicht intervenieren kann. Dies gelte grundsätzlich und somit auch hinsichtlich der Frage, ob er darauf hinwirken kann, dass die betriebsbereiten Glasfaseranschlüsse provisorisch in Betrieb genommen werden könnten.
Die WEKO habe die Nutzung der betroffenen Glasfaseranschlüsse für die Dauer des von ihr geführten Verfahrens vorsorglich untersagt. Dieser Entscheid wurde vom Bundesverwaltungsgericht und vom Bundesgericht bestätigt. Die WEKO hat am 25. April 2024 mitgeteilt, dass sie die Swisscom für ihr Verhalten beim Glasfaserausbau büsst und ihr Vorgaben zum Ausbau macht. Auch dieser Entscheid kann beim Bundesverwaltungsericht und dann beim Bundesgericht angefochten werden.
Artikel 8 des Kartellgesetzes kam so noch nie zum Zug
Art. 8 des Kartellgesetzes sieht eine Kompetenz für den Bundesrat vor, "Wettbewerbsabreden und Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen, die von der WEKO für unzulässig erklärt wurden, in Ausnahmefällen auf Antrag der Beteiligten zuzulassen". Dieser Artikel solle aber nur in absoluten Ausnahmefällen zum Tragen kommen und sei deshalb sehr restriktiv zu handhaben. Entsprechend wurde bis heute noch nie eine Verhaltensweise nach Art. 8 Kartellgesetz (KG) legalisiert. Ungeachtet dessen brauche es für einen Entscheid des Bundesrats gemäss Art. 8 KG zuvor zwingend einen Endentscheid der WEKO und einen Antrag der betroffenen Unternehmen.
Dem Bundesrat sei nicht bekannt, schreibt er weiter, "wann die betroffenen Anschlüsse verfügbar sein werden. Dies hängt vom Ausgang des Verfahrens und der Bereitschaft und den Anstrengungen der Swisscom ab, die entsprechenden Glasfaseranschlüsse umzubauen".