Grosser Rat lehnt Lohngleichheits-Initiative deutlich ab - keine Dringlichkeit für SP-Steuermotion - FDP fordert Steuerbremse - erster Einsatz für Martina Bircher
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Geschätzte Leserinnen und Leser
Verfolgen Sie hier heute die wesentlichsten Entscheide der heutigen Grossratssitzung in Aarau. Sie findet statt von 10 bis 12.30 Uhr und dann wieder von 14 bis 17 Uhr.
Es ist 10 Uhr. Grossratspräsident Markus Gabriel eröffnet die zweite Sitzung des Grossen Rates in der neuen Legislatur. Es sind 133 von 140 Ratsmitzgliedern anwesend.
FDP "arbeitet vehement auf Steuersenkungen hin"
Die FDP verliest jetzt eine Fraktionserklärung. Fraktionschef Silvan Hilfiker sagt, die FDP akzeptiere keine weitere Geldanhäufung des Kantons mehr. Die FDP habe letztes Jahr eine Steuersenkung gefordert, und sei da im Rat ganz schlecht angekommen. Mit den jüngsten 162 Mio. der SNB werde ihre Forderung bestätigt, so Hilfiker. Das habe mittlerweile auch die Mitte akzeptiert. Es sei eine Steuerbremse einzubauen, analog zur Schuldenbremse, fordert Hilfiker. Seine drei Ziele: Steuern senken, Steuerbremse einführen, Steuern zurückgeben, die zuviel eingenommen wurden.
Als erstes gibt es zwei Inpflichtnahmen, nämlich:
Carole Binder-Meury, SP, Magden; Inpflichtnahme als Mitglied des Grossen Rats 2025/2028 3 (24.431)
Iva Marelli, GLP, Baden; Inpflichtnahme als Mitglied des Grossen Rats (als Stellvertretung von Leandra Kern Knecht, Baden).
Nun folgt ein SP-Vorstoss mit Antrag auf Dringlichkeit
Nun folgt ein Antrag auf Dringlichkeit zu einem soeben eingereichten Vorstoss. es spricht Rolf Schmid (SP): Es geht um die Abschaffung des Eigenmietwerts. Das ändere Grundlegendes zur aargauischen Steuerstrategie. Die SP fordert den Regierungsrat auf, das erste Umsetzungspaket der Steuerstrategie mit sofortiger Wirkung bis mindestens zum Volksentscheid über die Abschaffung des Eigenmietwertes aufzuschieben.
Dazu spricht für die SVP Andi Steinacher. Die SP verlange ein Moratorium für die Umsetzung des ersten Pakets der Steuerstrategie. Die SVP lehne Dringlichkeit ab. Mit dem Antrag der Linken würde sich der Grosse Rat schon nach einem Monat selbst widersprechen, argumentiert Steinacher.
Nun spricht noch Finanzdirektor Markus Dieth. Die Volksabstimmung könne problemlos durchgeführt werden. Das gehe mit der nationalen Vorlage zum Eigenmietwert zusammen. Die gestaffelte Umsetzung erlaube es auch, die nationale Entscheidung abzuwarten. Dringlichkeit sei nicht angezeigt.
Anwesend sind 133 Ratmitglieder. Es kommt zur Abstimmung: Der Antrag auf Dringlichkeit bräuchte 89 Ja-Stimmen. Er wird deutlich abgelehnt mit 101 : 31 Stimmen.
Mehr Stellen für Bezirksgerichte
Nun geht es um die Festlegung des Gesamtpensums der Bezirksgerichte (Gesamtheit). Die Kommission für Justiz (Referent ist Rolf Haller, Zetzwil) beantragt einstimmig eine Erhöhung um 3,3 Stellen. Die Erhöhung des Gesamtpensums der Bezirksgerichte in ihrer Gesamtheit bzw. des dadurch resultierenden finanziellen Mehraufwandes in der Höhe von rund 4.4 Mio. Franken wurde im AFP 2025- 2028 aufgenommen. Der Grosse Rat stimmt der Erhöhung mit 130 : 0 Stimmen zu.
Postulat zu Feuerwerken gutgeheissen und abgeschrieben
Nun geht es um ein Postulat Matthias Betsche, GLP, Möriken-Wildegg (Sprecher), Béa Bieber, GLP, Rheinfelden, Martin Brügger, SP, Brugg, Christian Minder, EVP, Lenzburg, Ruth Müri, Grüne, Baden, Sabine Sutter-Suter, Mitte, Lenzburg, Isabelle Schmid, Grüne, Tegerfelden, vom 25. Juni 2024 betreffend Regelung der Feuerwerke zum Schutze von Menschen und Tieren. Der Regierungsrat ist zu dessen Entgegennahme bereit unter gleichzeitiger Abschreibung. Mit dem Postulat wird der Regierungsrat gebeten, die erforderlichen Massnahmen zu prüfen, um Menschen und Tiere vor lautem privatem Feuerwerk besser zu schützen. Als Argumente wird der Schutz von Mensch und Tier vor übermässigem Lärm, sowie das Vermeiden unnötiger Feinstaubemissionen angeführt. Die Postulatinnen und Postulanten sind einverstanden, das Geschäft ist erledigt.
Verzicht auf Festlegung von Gewässerräumen bei eingedolten Bächen
Motion Nun geht es um eine Motion Jeanine Glarner, FDP, Möriken-Wildegg (Sprecherin), Dr. Tobias Hottiger, FDP, Zofingen, vom 2. Juli 2024 betreffend Verzicht auf Festlegung von Gewässerräumen bei eingedolten Bächen. Der Regierungsrat beantragt Umwandlung in ein Postulat. Jeanine Glarner ist einverstanden, niemand widerspricht, so beschlossen.
Vorstoss zu Baubewilligungspflicht von Grossveranstaltungen mit erheblichen Auswirkungen auf Umwelt und Umgebung - Vorstoss wird zurückgezogen
Als nächstes geht es um eine Motion Matthias Betsche, GLP, Möriken-Wildegg (Sprecher), Thomas Baumann, Grüne, Suhr, Martin Brügger, SP, Brugg, Jonas Fricker, Grüne, Baden, Karin Koch Wick, Mitte, Bremgarten, Markus Lang, GLP, Brugg, Gabi Lauper Richner, SP, Niederlenz, Christian Minder, EVP, Lenzburg, Sabine Sutter-Suter, Mitte, Lenzburg, vom 2. Juli 2024.
Es geht dabei um die Baubewilligungspflicht von Grossveranstaltungen mit erheblichen Auswirkungen auf Umwelt und Umgebung. Auslöser war das Argoviafest, das mitten im Brutverhalten der Feldlerchen hätte stattfinden sollen. Inzwischen sei eine gute Lösung gefunden worden, sagt Bettsche. Man ziehe den Vorstoss zurück.
Pilotprojekt Tempo 30 auf einem Abschnitt Ammerswilerstrasse in Lenzburg?
Nun geht es um eine Motion Sabine Sutter-Suter, Mitte, Lenzburg (Sprecherin), Matthias Betsche, GLP, MörikenWildegg, Daniel Mosimann, SP, Lenzburg, Claudia Rohrer, SP, Rheinfelden, Christian Minder, EVP, Lenzburg, Maurus Kaufmann, Grüne, Seon, vom 10. September 2024.
Der Regierungsrat soll beauftragt werden, die Sicherheit von Fussgängerinnen und Fussgängern und Velofahrerinnen und Velofahrern im Abschnitt Ammerswilerstrasse bis Bachstrasse (K 374) (Ammerswilerstrasse, vom Übergang innerorts (IO) zu ausserorts (AO) beim Bölliweiherweg, Burghaldenstrasse, Aavorstadt bis Einmündung Bachstrasse) in Lenzburg zu verbessern und dazu ein Pilotprojekt Tempo 30 durchzuführen.
Die Regierung lehnt die Motion ab, ist aber bereit, sie als Postulat zur Prüfung entgegen zu nehmen.
Sabine Sutter-Suter sorgt sich um den sicheren Übergang von Kindergartenkindern, und will nicht so lange warten. Die Motionäre ziehen jetzt den Vorstoss zurück und werden einen neuen einreichen, so Sutter-Suter, bei dem es gezielt um den Strassenabschnitt beim Kindergarten gehen wird.
Wahl- und Abstimmungsunterlagen auch in Gebärdensprache?
Im Grossen Rat, der bisher zügig durch die Traktanden kommt, geht es als nächstes um eine Motion Alain Burger, SP, Wettingen (Sprecher), Claudia Rohrer, SP, Rheinfelden, Edith Saner, Mitte, Birmenstorf, Therese Dietiker, EVP, Aarau, Ignatius Ounde, GLP, Gränichen, Dr. Severin Lüscher, Grüne, Schöftland, Jeanine Glarner, FDP, Möriken-Wildegg, Stephan Müller, SVP, Möhlin, Désirée Stutz, SVP, Möhlin.
Sie alle wollen den Regierungsrat beauftragen, barrierefreie Wahl- und Abstimmungsunterlagen in Gebärdensprache bereitzustellen, damit auch gehörlose Menschen einen verständlichen Zugang zu den Wahlund Abstimmungsunterlagen des Kantons erhalten.
Die Regierung erklärt sich zur Entgegennahme mit einer Erklärung bereit. Die Motion bleibt unbestritten und wird stillschweigend an den Regierungsrat überwiesen.
Initiative "Lohngleichheit im Kanton Aargau – jetzt!"
Nun geht es um eine Volksinitiative "Lohngleichheit im Kanton Aargau – jetzt!".
Am 12. Juni 2024 hat das Initiativkomitee die Aargauische Volksinitiative "Lohngleichheit im Kanton Aargau – jetzt!" mit 3'281 gültigen Unterschriften eingereicht. Sie fordert eine Verschärfung der nach Bundesrecht vorgeschriebenen Lohnanalysen (obligatorisch für Unternehmen ab 50 statt erst ab 100 Mitarbeitenden, Kontrollen und Sanktionen) sowie die Einführung einer Fachstelle für Gleichstellung.
Die Prüfung des Begehrens habe ergeben, dass die Initiative formell korrekt und verfassungskonform sei. Der Regierungsrat beantragt deshalb dem Grossen Rat, die Initiative für gültig zu erklären. Gleichzeitig empfiehlt er die Initiative zur Ablehnung. Der Regierungsrat teilt zwar das Grundanliegen der Initiative, die verfassungsmässig garantierte Gleichstellung der Geschlechter zu gewährleisten. Diese sei noch nicht gegeben. Der Regierungsrat lehnt aber die konkreten Massnahmen gemäss Initiative ab.
Die Lohngleichheitsanalyse sei auf Bundesebene geregelt, was schon aus praktischen Gründen sinnvoll ist. Die betroffenen mittleren und grossen Unternehmen haben oft Arbeitsstätten in mehreren Kantonen. Zudem liege die Evaluation der relativ jungen Massnahme noch nicht vor. Es wäre deshalb nicht zielführend, wenn der Kanton Aargau hier vorprescht. Auch bezüglich Fachstelle hält der Regierungsrat an seiner bisherigen Position fest: Gleichstellung ist eine Querschnittsaufgabe, die alle betrifft. Eine dezentrale Verantwortung wird dem besser gerecht als eine zentrale Fachstelle.
Die Mitte, GLP, FDP, SVP und EVP lehnen die Initiative ab
In den Voten der Fraktionen teilt Die Mitte mit, sie schliesse sich grossmehrheitlich dem Regierungsrat an und lehne die Initiative ab. Die Initiative verfolge ein hehres Zeil, deshalb müsse man ihr aber nicht einfach zustimmen, so der GLP-Sprecher. Man sei für Gültigkeit, lehne die Initiative aber grossmehrheitlich ab. Vieles sei hier auf Bundesebene geregelt. Der Aargau solle nicht mit eigenen Regeln vorpreschen. Man sei für Gültigkeit, aber einstimmig für deren Ablehnung, sagt der FDP-Sprecher. Genauso - gegen Bürokratismus und gegen Lähmung der Wirtschaft im Aargau - tönt es bei der SVP. Es gebe vielleicht keine Lohndiskriminierung, wohl aber Lohnungleichheit, sagt der EVP-Sprecher. Doch auch die EVP lehnt die Initiative ab.
Grüne und SP ohne Wenn und Aber für die Initiative
Für die Grünen erklärt ihr Sprecher klar Unterstützung für Gleichstellung und für die vorliegende Initiative und natürlich für deren Gültigkeit sowie für die Wiedereinführung der Fachstelle für Gleichstellung. Ähnlich tönt es beim SP-Sprecher: klar Ja.
Nach diversen Einzelrednern erläutert Landammann und Volkswirtschaftsdirektor Dieter Egli nochmals, warum die Initiative eindeutig gültig sei. Dies als Antwort an Harry Lütolf (Mitte), der eine teilweise Ungültigerklärung beantragt hatte. Es gebe Lohnungleichheit, dazu gebe es aber auch Regelungen auf nationaler Ebene. Die Regierung empfiehlt Ablehnung der Initiative.
Lütolfs Antrag auf teilweise Ungültigerklärung der Initiative wird deutlich abgelehnt, mit 14 : 119 Stimmen.
Das Volk hat das letzte Wort - wohl schon am 18. Mai
Damit zeigt sich: Im Grossen Rat unterstützen einzig SP und Grüne die Initiative. Die Initiative wird mit 127 : 2 gültig erklärt, der Rat empfiehlt sie schliesslich jedoch mit 97 : 35 zur Ablehnung.
Das letzte Wort hat nun der Souverän an der Urne. Das könnte bereits am 18. Mai 2025 der Fall sein.
Privatauszug aus dem Strafregister schon vor der Wahl auch für vom Volk gewählte nebenamtliche Richter?
Als nächstes geht es um eine Motion Nicole Heggli-Boder, SVP, Buttwil (Sprecherin), Ralf Bucher, Mitte, Mühlau, Stefan Huwyler, FDP, Muri, Franziska Stenico-Goldschmid, Mitte, Beinwil (Freiamt), Daniel Urech, SVP, Sins.
Die Motionäre wollen den Regierungsrat auffordern, das Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) so anzupassen, dass künftig auch die vom Volk gewählten nebenamtlichen Richterinnen und Richter sowie Friedensrichterinnen und Friedensrichter, analog den hauptamtlichen Richterinnen und Richter, im Anmeldeverfahren zur Wahl einen Privatauszug aus dem Strafregister einzureichen haben.
Nicole Heggli-Boder fügt an, dass hauptamtliche und nebenamtliche Richterinnen und Richter sowie vom Grossen Rat oder vom Regierungsrat zu wählende Richterinnen und Richter nicht strafrechtlich verurteilt worden sein dürfen wegen einer Handlung, die nicht mit dem Richterberuf vereinbar ist, es sein denn, diese Verurteilung erscheint nicht mehr im Privatauszug aus dem Strafregister.
Der Regierungsrat lehnt die Motion ab. Seit Einführung der Bestimmung per 1. April 2020, dass die vom Volk gewählten nebenamtlichen Richterinnen und Richter nach der Wahl im Sinne einer Selbstdeklaration den Privatauszug aus dem Strafregister einreichen müssen, habe es noch keinen Fall gegeben, "in welchem eine Amtsenthebung notwendig gewesen wäre. Entgegen den Ausführungen der Motionärinnen und Motionäre führt daher nicht die heutige Lösung zu Aufwand und Mehrkosten, sondern die Einführung der Wählbarkeitsvoraussetzung und entsprechend eines zwingenden Anmeldeverfahrens für vom Volk gewählte nebenamtliche Richterinnen und Richter", schreibt die Regierung in ihrer Antwort.
Motionärin hält an Vorstoss fest
Heggli-Boder hält jedoch am Vorstoss fest und bittet um Überweisung. Niemand würde verstehen, wenn ein Lehrer einen Strafauszug einreichen müsse, ein Richter aber nicht, argumentiert sie.
Wer gewählt werde, müsse danach einen Strafregisterauszug einreichen, heisst es seitens eines FDP-Vertreters. Die Motion brauche es nicht. Auch die SP lehnt den Vorstoss ab. Nach der Wahl werde der Leumund zwingend geklärt. Die Motion bringe nichts. Derweil will die Mitte geschlossen daran festhalten. Die Mehrheit der SVP-Fraktion ist für Ablehnung. Die FDP wiederum ist deutlich mehrheitlich für Überweisung.
Es ist 12.30 Uhr, Ratspräsident Gabriel unterbricht die Sitzung für die Mittagspause. es geht weiter um 14 Uhr.
Es ist 14 Uhr, Ratspräsident Gabriel eröffnet die Nachmittagssitzung.
Der Rat steckt immer noch in der Beratung der Motion von Nicole Heggli-Boder. Er lehnt nach einem ablehnenden Votum von Landammann Dieter Egli jetzt die Motion deutlich ab.
Gestohlene Kontrollschilder: FDP-Grossräte wollen Motion einreichen
In einem Postulat verlangen Silvan Hilfiker, FDP, Jonen (Sprecher), Stefan Huwyler, FDP, Muri, Dr. Titus Meier, FDP, Brugg,, dass die Regierung bei Verlust oder Diebstahl von Kontrollschildern diese ersetzen soll. Die Regierung lehnt den Vorstoss ab. Die Postulanten ziehen den Vorstoss zurück, werden aber mit einer verbindlichen Motion nachstossen, kündigt Silvan Hilfiker an.
Zweite Lesung für Änderung Gesundheitsgesetz
Nun befasst sich der Grosse Rat - bereits in zweiter Lesung - mit einer Änderung des Gesundheitsgesetzes. Es geht dabei um folgendes:
In das kantonale Gesundheitsgesetz sollen neu der § 27a zum Zulassungsverfahren und der § 27b zum Teilaspekt der Höchstzahlen bei der Zulassung von Ärztinnen und Ärzten, die im ambulanten Bereich Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) erbringen, eingeführt werden.
Der Grosse Rat hat die vorgeschlagene Änderung des Gesetz vom 20. Januar 2009 an seiner Sitzung vom 24. September 2024 in 1. Beratung behandelt und in der Gesamtabstimmung mit 129 gegen 0 Stimmen gutgeheissen. Der Grosse Rat hat keine Änderung beschlossen, aber drei Prüfungsaufträge überwiesen: Einerseits betreffen zwei Prüfungsaufträge die Erarbeitung von alternativen Gesetzestexten, mit welchen der Grosse Rat gegebenenfalls das Zulassungsverfahren und die Einzelheiten bei der Festlegung der Höchstzahlen selbst per Dekret regeln kann.
Der Regierungsrat hat die beiden in Auftrag gegebenen alternativen Gesetzestexte erarbeitet, empfiehlt aber weiterhin eine Verordnungslösung in der Zuständigkeit des Regierungsrats. Andererseits sei gemäss einem dritten Prüfungsauftrag darzulegen, wie mit Gewichtungsfaktoren die regionalen Gegebenheiten im Kanton Aargau ausgeglichen werden könnten. Der Regierungsrat hat diesen Auftrag in der vorliegenden Botschaft zur zweiten Lesung beantwortet. Auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorgeschlagenen Änderung des Gesetzes beabsichtigt der Regierungsrat, die am 30. Juni 2025 definitiv ausser Kraft tretende Verordnung über Höchstzahlen bei der Zulassung von Ärztinnen und Ärzten zur Abrechnung zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (HZV) durch eine formell-gesetzliche Grundlage in den neuen §§ 27a und 27b GesG und gleichzeitig mit einer hierzu geplanten Verordnung per 1. Juli 2025 zu ersetzen. Die vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzes sollen am 1. Juli 2025 in Kraft treten.
Der Rat heisst die Vorlage in zweiter Lesung ohne inhaltliche Änderungen einstimmig gut.
SVP/FDP lehnen kantonale Mietzinsrichtlinien in der Sozialhilfe ab
Nun geht es um ein Postulat Therese Dietiker, EVP, Aarau (Sprecherin), Andre Rotzetter, Mitte, Buchs, Markus Schneider, Mitte, Baden, Hans-Peter Budmiger, GLP, Muri, Isabelle Schmid, Grüne, Tegerfelden, Dr. Lucia Engeli, SP, Unterentfelden, Carole Binder-Meury, SP, Magden, Luzia Capanni, SP, Windisch, Lea Schmidmeister, SP, Wettingen, vom 10. September 2024. Es geht darin um allgemeine kantonale Mietzinsrichtlinien in der Sozialhilfe. Die Regierung ist zur Entgegennahme mit Erklärung bereit.
Konkret soll sie im Hinblick auf eine transparente, einfache und ausgewogene Lösung die Mietzinsrichtlinien in der Sozialhilfe gemäss § 15b der SPV (Sozialhilfe- und Präventionsverordnung) überprüfen. Dabei könnten Mietobergrenzen laut Postulat ähnlich wie in der Ergänzungsleistung nach Marktmietwerten, die in Stadt, Agglomeration und auf dem Land unterschiedlich sind, ausgestaltet werden.
Die FDP bestreitet allerdings das Postulat. Der Handlungsbedarf bestehe beim Sozialhilfevollzug, nicht in der Gesetzgebung, argumentiert FDP-Sprecher Andreas Schmid. Eine Lösung mit Mietzinskategorien würden der heterogenen Situation im Aargau nicht gerecht. Es gebe Handlungsbedarf. Die Gemeinden sollten sich jedoch prioritär selbst regulieren.
Die SP unterstützt den Vorstoss natürlich vollumfänglich. Demgegenüber schliesst sich die SVP der FDP an. Das Problem liege in der Umsetzung, sagt auch der SVP-Sprecher. Für den Vorstoss setzt sich die EVP ein. Für Die Mitte verteidigt auch André Rotzetter den Vorstoss. Namens der GLP staunt Hans-Peter Budmiger, dass alle das Problem anerkennen, die FDP Postulat aber trotzdem ablehnen will.
Nach einem engagierten Votum von Sozialdirektor Jean-Pierre Gallati zugunsten des Postulats entscheidet der Rat: Er lehnt eine Überweisung des Postulats mit 69 : 65 Stimmen ab.
Nun geht es um drei Leitsätze der aargauischen Steuerstrategie
Als nächstes geht es um die kantonale Steuerstrategie. Ziel dieser Steuerstrategie ist es laut regierungsrätlicher Botschaft, bei den natürlichen Personen gute Konditionen für den Mittelstand und interkantonal vergleichbare Bedingungen bei tiefen Einkommen zu schaffen sowie die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit für einkommensstarke und vermögende Personen zu verbessern.
Bei den juristischen Personen sollen im Kanton Aargau wettbewerbsfähige steuerliche Bedingungen für die Unternehmen und ihre Entwicklung geschaffen werden. Zudem wurde ein Handlungsfeld "flankierende Massnahmen" definiert, mit welchem die Prozesse verbessert und noch stärker auf die Steuerkundinnen und Steuerkunden ausgerichtet werden.
Zur Erreichung dieser Ziele hat der Regierungsrat dem Grossen Rat mit Botschaft zur Steuerstrategie 2022–2030; Leitsätze vom 10. August 2022 insgesamt 20 Leitsätze beantragt. Die Leitsätze 18–20 befassten sich mit dem Handlungsfeld "flankierende Massnahmen" und sahen eine Vereinheitlichung des Steuerbezugs für die natürlichen Personen (Leitsatz 18), eine zentrale Stelle für Erbschafts- und Schenkungssteuern (Leitsatz 19) sowie eine Neustrukturierung der Steuerkommission (Leitsatz 20) vor.
Der Grosse Rat hat im Rahmen der Behandlung dieses Geschäfts in seiner Sitzung vom 21. März 2023 diese Leitsätze leicht angepasst und wie folgt beschlossen (GRB Nr. 2023-0808):
Leitsatz 18: Vereinfachung Steuerbezug natürliche Personen. Es soll geprüft werden, ob mittelfristig der Steuerbezug natürlicher Personen für die direkten Bundessteuern, Kantons- und Gemeindesteuern durch das gleiche Gemeinwesen (Kanton, Gemeinde oder Gemeindeverbund) erfolgen soll. Ein entsprechendes Projekt wird zusammen mit den Gemeinden gestartet.
Leitsatz 19: Zentrale Stelle für Erbschafts- und Schenkungssteuern. Es soll geprüft werden, ob die Erstellung der Steuerinventare und die Vorbereitung der Erbschafts- und Schenkungssteuerveranlagung durch eine zentrale Stelle erfolgen soll. Ein entsprechendes Projekt wird zusammen mit den Gemeinden gestartet.
Leitsatz 20: Neustrukturierung Steuerkommission. Es soll geprüft werden, ob die Veranlagungsbehörde auf Gemeindestufe lediglich aus Fachpersonen bestehen soll, welche im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses tätig sind. Diese Behörde würde sich aus der Vorsteherin oder dem Vorsteher des Gemeindesteueramts sowie der kantonalen Steuerkommissärin oder des kantonalen Steuerkommissärs zusammensetzen. Es soll geprüft werden, ob auf vom Volk gewählte Mitglieder der Steuerkommission verzichtet werden kann. Ein entsprechendes Projekt wird zusammen mit den Gemeinden gestartet, heisst es in der Botschaft weiter.
Das sagen die Fraktionen
Die GLP tritt auf das Geschäft ein. Auch die Grünen nehmen den Bericht wohlwollend zur Kenntnis, grundsätzlich ebenso die SP. Sie hat allerdings auch gewichtige Fragen dazu. Die FDP nimmt den Bericht zur Kenntnis, inhaltlich nehme man keine Stellung. Die Mitte dankt für "den gelungenen und partizipativen Prozess" und begrüsst die vorgelegten Bestvarianten. Die SVP schliesslich dankt ebenfalls für Bericht und Botschaft. Den Leitsatz 18 beurteilt die SVP allerdings kritisch, bringt dieser doch eine Verschiebung von Aufgaben nach Aarau. Am Schluss gibt die EVP zu bedenken, Digitalisierung sei nicht dasselbe wie digitale Transformation. Man müsse weiter denken, fordert die EVP. Der Bericht sei komplett aus Sicht der Verwaltung erstellt, kritisiert die EVP.
Dank und Einverständnis vom "höchsten" Gemeindevertreter
Schliesslich äussert sich auch Patrick Gosteli als Präsident der Gemeindeammännervereinigung. Die Gemeinden seien geradezu vorbildlich in den Prozess einbezogen worden, lobt er. Es entstehe ein grosser Mehrwert für die Kunden mit Leitsatz 19. Zum Leitsatz 20 sei der Beschluss einstimmig ausgefallen, so Gosteli weiter. So könne man das System für die Kundinnen und Kunden verbessern.
Der zuständige Regierungsrat Markus Dieth freut sich natürlich über die positiven Voten. Ordnungsgemäss habe man "nach einer sauberen Prüfung" und in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden den Bericht dem Grossen Rat vorgelegt.
Damit nimmt der Grosse Rat den Bericht mit den Leitsätzen 18 bis 20 zur Kenntnis.
Lehrpersonenmangel: erster Einsatz für Martina Bircher
Als nächstes geht es um die Botschaft Mentorat "Begleiteter Berufseinstieg". Es geht um eine Milderung des mangels an Lehrpersonen.
Darum geht es: In Zusammenhang mit dem demografisch bedingten Fachkräftemangel an der Volksschule beauftragten die vier Trägerkantone des Bildungsraums Nordwestschweiz (BRNW) die Pädagogische Hochschule (PH) der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) mit dem Leistungsauftrag 2021– 2024, Studienvarianten mit integriertem Berufseinstieg während des Studiums zu entwickeln und zu erproben.
Die PH FHNW hat laut regierungsrätlicher Botschaft an den grossen Rat zwei Studienvarianten entwickelt: Die Studienvariante Quereinstieg (QUEST), welche sich an berufserfahrene Studieninteressierte ab 27 Jahren richtet, und die Studienvariante Bachelor Plus / Master Plus (BAMA Plus), welche sich an fortgeschrittene Studierende einiger Regelstudiengänge (Kindergarten-/Unterstufe, Primarstufe, Sekundarstufe I integriert) richtet.
Begleitung der Studierenden durch Praxislehrperson sowie Mentor/in
Die Studierenden werden durch eine Praxislehrperson sowie eine Mentorin respektive einen Mentor "Begleiteter Berufseinstieg" unterstützt. Die Praxislehrperson stellt im Rahmen der Praxismodule (Berufspraktischen Studien) der Ausbildung an der PH FHNW die Verbindung zum Studium her und bewertet die berufspraktischen Fähigkeiten der studierenden Person.
Die Mentorinnen und Mentoren sind dafür zuständig, die studierende Person situativ bei den schulischen Anforderungen sowie bei administrativen und organisatorischen Aufgaben zu unterstützen und zu beraten. Das Mentorat "Begleiteter Berufseinstieg" ist ein fester Bestandteil der beiden Studienvarianten.
Die Mentorinnen und Mentoren unterstützen und beraten die Studierenden individuell während ihres vorgezogenen Berufseinstiegs. Sie werden für ihre Tätigkeit mit einer Wochenlektion pro Schuljahr über die Dauer von zwei Jahren vergütet. Bei den Mentorinnen und Mentoren "Begleiteter Berufseinstieg" handelt es sich um erfahrene Berufskolleginnen und Berufskollegen, welche an derselben Schule wie die Person im "Begleiteten Berufseinstieg" arbeiten und eine entsprechende Weiterbildung zur Ausführung dieser Tätigkeit besucht haben.
Nach erfolgreich durchgeführter Pilotphase, welche bis Ende des Schuljahrs 2024/25 läuft, wie es in der Botschaft weiter heisst, soll das Mentorat "Begleiteter Berufseinstieg" mit dem Leistungsauftrag FHNW 2025–2028 weitergeführt und verstetigt werden. Für das Vorhaben beantragt der Regkierungsrat einen Verpflichtungskredit für einen jährlich wiederkehrenden Bruttoaufwand von Fr. 1'140'000.
Beschluss untersteht fakultativem Referendum
Der Beschluss fällt in die Zuständigkeit des Grossen Rats und untersteht dem fakultativen Referendum. Für die Finanzierung des Mentorats ist ausserdem § 10a der Verordnung über die Ressourcierung der Volksschule (Ressourcenverordnung; SAR 421.322) in eine unbefristete Gültigkeit zu überführen. Die Anhörungsvorlage stiess laut Botschaft insgesamt auf sehr hohe Zustimmung.
Verschiedene weiterführende Bemerkungen bezüglich der Begleitung von Berufseinsteigenden wurden eingebracht. Einige Vorschläge führen über das vorliegende Vorhaben hinaus und werden im Rahmen weiterer Arbeiten des Departements Bildung, Kultur und Sport soweit möglich berücksichtigt. An der in der Anhörung dargelegten Art der Finanzierung sowie der Höhe des Verpflichtungskredits für das Mentorat "Begleiteter Berufseinstieg" wurde ohne Anpassung festgehalten.
Jetzt ist der Grosse Rat am Zug. Es referiert für die vorberatende Kommission Markus Lang, Brugg. Die Vorlage kommt gut an, die Kommission beantragt aber Anpassungen.
Das sagt die neue Bildungsdirektorin
Nach einer nicht enden wollenden Debatte mit wenig Kontroverse kommt jetzt erstmals die neue Bildungsdirektorin Martina Bircher zu Wort. Sie erläutert erst mal die Vorlage. Es gehe hier um sich noch in der Ausbildung befindliche Personen, die bereits auch in der Praxis unterrichten müssen bzw. dürfen. Die Studierenden in diesem Studiengang brächten eine spürbare Entlastung, so Bircher. Bei einer Ablehnung der Vorlage bestünde das Risiko, dass Auszubildende in andere Kantone gehen, mahnt Bircher.
Es gehe hier um ein pragmatisches, funktionierendes System, sagt die Bildungsdirektorin weiter. Soll es auf vier Jahre befristet werden, wie die Kommission vorschlägt. Sie könne das sehr gut vorstellen, sagt Bircher. Das Mentorat wirke aber, bekräftigt sie. Sie bittet um Zustimmung für das Geschäft.
Der Antrag lautet, für das Vorhaben 'Mentorat "Begleiteter Berufseinstieg"' einen Verpflichtungskredit für einen jährlich wiederkehrenden Bruttoaufwand von Fr. 1'140'000.– zu beschliessen.
Der Rat unterstützt allerdings den abweichenden Antrag der Kommission für das Vorhaben 'Mentorat "Begleiteter Berufseinstieg" ', und damit einen Verpflichtungskredit für einen […] einmaligen Bruttoaufwand von Fr. 4'560'000.- für vier Schuljahre (ab 2025/2026 bis 2028/2029). Der Rat heisst dies mit 77 : 54 gut. Das Geschäft ist so beschlossen.
Postulat für kantonale Gesamtstrategie zu Autismus-Spektrum-Störungen überwiesen
Schliesslich geht es um ein Postulat Carole Binder-Meury, SP, Magden (Sprecherin), Colette Basler, SP, Zeihen, Alain Burger, SP, Wettingen, Stephan Müller, SVP, Möhlin, Ruth Müri, Grüne, Baden, Dr. Titus Meier, FDP, Brugg, Jürg Baur, Mitte, Brugg, Uriel Seibert, EVP, Schöftland, Markus Lang, GLP, Brugg, vom 27. August 2024.
Es geht um die Entwicklung einer kantonalen Gesamtstrategie ASS (Autismus-Spektrum-Störungen) Volksschule Aargau, mit Fokus auf die Unterstützung von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen. Der Regierungsrat ist beriet zur Entgegennahme mit einer Erklärung. Niemand widerspricht, ist so beschlossen.
Ende der heutigen Sitzung
Damit hat der Grosse Rat seine heutige Traktandenliste abgetragen und leistet zeitlich eine Ziellandung. Grossratspräsident Markus Gabriel dankt und verabschiedet die Grossrätinnen und Grossräte. Man trifft sich erst nach den Sportferien wieder, und zwar am 4. März 2025. Es würde uns freuen, wenn Sie die Debatte wiederum auf aargauerpolitik.ch verfolgen würden.
Ihnen einen schönen Abend und eine gute Zeit!
Fehler entdeckt? Danke für die Meldung an mathiaskueng@bluemail.ch