Braucht die Feuerwehr im Aargau sogenannte Sprungretter?
Gleich drei SVP-Grossräte, nämlich Miro Barp, Brugg (Sprecher), Marcel Gerny, Neuenhof, und Daniel Erich Aebi, Birmenstorf, gelangten mit einer Interpellation zur Finanzierung eines Sprungretters im Kanton Aargau an den Regierungsrat. Auslöser war, dass die Garantie für den Sprungretter der Feuerwehr Aarau abgelaufen ist. Dieser wurde deshalb per Ende März 2024 ausser Betrieb genommen.
Meines Wissens, schreibt Barp, wurde der Sprungretter in Aarau nicht ersetzt, da niemand die Kosten von 22’000 Franken zu übernehmen bereit sei, "obwohl die Stadt Aarau gegebenenfalls weiterhin die Ausbildungs-, Lagerungs- und Wartungskosten übernähme", wie er weiter schreibt. Der Kanton Aargau benötigt, wie auch die Nachbarkantone, einen einsatzfähigen Sprungretter, sind die die drei Interpellanten überzeugt.
Schwerste Verletzungen durch Sprung aus grosser Höhe verhindern
Damit können schwerste Verletzungen durch Sprung aus grosser Höhe verhindert werden, zum Beispiel im Rahmen von Suizidversuchen, Psychosen oder querulatorischem Verhalten. In solchen Fällen gehöre ein Sprungretter zur unverzichtbaren Ausrüstung der Einsatzkräfte. Barp selbst war am 28. April 2016 in der Klinik Königsfelden am erfolgreichen Einsatz eines Sprungretters beteiligt.
Im Aargau sind Sprungretter nicht im Materialbestand der Feuerwehren enthalten, schreibt Barp weiter. Entsprechend gehöre ihr Einsatz nicht zum Leistungsauftrag der Aargauer Feuerwehren. Deshalb lehnen sie die Übernahme der Kosten ab. Die Kantonspolizei lehne eine finanzielle Beteiligung mit der Begründung der generellen Nichteinmischung in die materiellen Belange von Feuerwehren ab. Die AGV lehne eine (weitere) Beteiligung ebenfalls ab, da zwischen der AGV und der Feuerwehr Aarau kein Auftrag für den Einsatz mit dem Sprungretter im Kantonsgebiet bestehe.
Andere Kantone verfügen über einen betriebsbereiten Sprungretter und haben die Kostenverteilung geregelt, heisst es im Vorstoss weiter: Im Kanton Zürich finanziert diese die Gebäudeversicherung Zürich (GVZ). Im Kanton Zürich stehen mehrere Sprungretter bereit. Luzern habe einen, auch in Solothurn gebe es zwei davon.
Der Sprungretter der Feuerwehr Aarau wurde in den vergangenen 13 Jahren wiederholt angefordert, letztmals am 25.01.2022 auf der Baldegg in Baden, um 22.49 Uhr, so Barp weiter.
Vom Regierungsrat wollten die drei Grossräte nun wissen, ob er auch der Ansicht sei, dass der Kanton Aargau genauso wie die angrenzenden Kantone einen Sprungretter benötigt? Wer ist für die Anschaffung von Sprungrettern für die Feuerwehr verantwortlich? Wie viele Sprungretter sind nach Ansicht des Regierungsrats im Kanton Aargau notwendig?
Das sagt die Regierung zum Sprungretter-Anliegen
Der Regierungsrat antwortet jetzt wie folgt: Er hält einleitend fest, dass der Interpellant Barp von seinen Erfahrungen mit einem Sprungretter im Rahmen von Suizidversuchen, Psychosen oder querulatorischem Verhalten spreche. Dies sei insofern von Bedeutung, als es eine Auswirkung auf Anwendungsfälle und Zuständigkeitsfragen hat.
Höhenrettungskonzept seit 2007: Feuerwehr setzt auf Autodrehleiter
Im Zusammenhang mit der Kernaufgabe der Feuerwehr, der Brandbekämpfung, gibt es im Kanton Aargau das seit 2007 bestehende und erprobte Höhenrettungskonzept der AGV, schreibt die Regierung. Dieses beruhe im Wesentlichen auf dem Einsatz von Autodrehleitern, welche die Rettung auch aus grosser Höhe ermöglicht. Im Feuerwehrkonzept aus dem Jahr 2015 wurde die Interventionszeit auf 20 Minuten reduziert.
Alle Stützpunktfeuerwehren A und B1 verfügen laut Regierungsrat über eine Autodrehleiter. Der Bezirk Baden verfügt mit Spreitenbach sogar über ein zweites Höhenrettungsfahrzeug. Dieses Konzept habe sich sehr bewährt. Wird eine Feuerwehreinheit mit der Autodrehleiter für einen Einsatz ausserhalb der Brandbekämpfung eingesetzt, so werden die Kosten überwälzt und müssen nicht von der Gemeinde beziehungsweise von den Gemeinden getragen werden, heisst es in der Antwort weiter.
Sprungpolster bei Bränden "nicht oder nur bedingt zweckmässig"
Sprungretter und Sprungpolster seien nicht oder nur bedingt zweckmässige Mittel für die Rettung bei Brandereignissen. Deshalb unterstütze die AGV die Beschaffung und Ausbildung dieser Spezialgeräte nicht. Der Platz- und Zeitbedarf für den Stellungsbezug eines solchen Geräts sei oftmals nicht gegeben. Ausserdem setze ein verletzungsfreier Sprung voraus, dass die zu rettende Person den Anweisungen der Interventionskräfte auch in extremen Ausnahmesituationen genau Folge leiste, schreibt der Regierungsrat weiter.
Er habe "keine Kenntnis darüber, ob dieses Einsatzmittel zur Verhinderung von schweren Verletzungen bei Sprüngen aus grosser Höhe im Rahmen von Suizidversuchen oder ähnlichem Verhalten wirksam ist". Er erkenne jedoch auch keine Hinweise, welche die genannten Vorbehalte (Platz- und Zeitbedarf, Verletzungsgefahr) entkräften könnten.
Platz und Zeit für den Stellungsbezug eines Geräts oft nicht vorhanden
Der Regierungsrat ist der Überzeugung, dass Sprungretter und Sprungpolster nicht oder nur bedingt zweckmässige Mittel für die Rettung bei Brandereignissen sind. Deshalb werden die Beschaffung und Ausbildung dieser Spezialgeräte im Rahmen der Brandbekämpfung nicht gestützt. Der Platz- und Zeitbedarf für den Stellungsbezug eines solchen Geräts sei oftmals nicht vorhanden.
Bei den in der Interpellation beschriebenen Einsätzen im Rahmen von Suizidversuchen, Psychosen oder querulatorischem Verhalten liege die Einsatzleitung bei der Kantonspolizei. Diese orientiere sich bei Einsätzen am Höhenrettungskonzept der AGV.
Gemeinden, die für den Rettungseinsatz bei Brandereignissen in ihrem Gebiet die Notwendigkeit eines Sprungretters sehen, müssten diesen auf ihre Kosten beschaffen beziehungsweise ein allfälliger Auftraggeber für einen regionalen oder überregionalen Einsatz müsste mit der betreffenden Organisation die Finanzierung für Beschaffung, Ausbildung und Einsatz regeln, heisst es weiter.
Die Stadt Aarau hat die Beschaffung, Ersatzbeschaffung, Lagerung, Unterhalt und Ausbildung in der Vergangenheit vollumfänglich eigenfinanziert. Die Kantonspolizei habe keine Zuständigkeit bei der Finanzierung von Rettungsmaterial.
Das Fazit des Regierungsrats
Das Höhenrettungskonzept der AGV sieht für die Rettung aus grosser Höhe den Einsatz von Autodrehleitern vor. Der Regierungsrat erkennt vor diesem Hintergrund keine Notwendigkeit für Sprungretter. Gemäss Medienberichten sei im Kanton Aargau in Rheinfelden noch ein Sprungretter vorhanden.