Bald jede fünfte Person im Aargau über 65 - genug bedürfnisgerechter Wohnraum?

Matthias Betsche, GLP, Möriken-Wildegg (Sprecher), Hans-Peter Budmiger, GLP, Muri, Ruth Müri, Grüne, Baden, Andre Rotzetter, Mitte, Buchs, Lea Schmidmeister, SP, Wettingen fragten in einer im März eingereichten Interpellation, ob es im Kanton Aargau genug bedürfnisgerechten Wohnraum für eine alternde Bevölkerung gebe.

36'500 Personen sind bereits 80 Jahre alt oder älter

Die Regierung antwortet jetzt, dass im Kanton Aargau gut 137'000 Menschen im Alter von 65 Jahren und mehr leben, 36'500 von ihnen sind bereits 80 Jahre alt oder älter (Stand 31. Dezember 2023). Diese Menschen leben grossmehrheitlich selbstständig. Erst in der Alterskategorie ab 90 Jahren sei das Pflegeheim die häufigste Wohnform vor dem immer noch sehr verbreiteten selbstständigen Wohnen.

Welche Kriterien gelten für altersgerechte Wohnangebote?

Eine einheitliche Definition von "Wohnen im Alter" gebe es indessen nicht. Altersgerechte Wohnangebote seien möglichst barrierearm (Stufen, Engpässe), von adäquater Grösse und zentrumsnah, damit der Zugang zu Einkaufsmöglichkeiten, ärztlicher Versorgung und gesellschaftlichen Treffpunkten auch bei zunehmender Gebrechlichkeit und abnehmender Mobilität möglichst lange gewährleistet ist.

Solche altersgerechten Wohnangebote sind wichtig für selbstständiges Wohnen im fortgeschrittenen Alter und damit für eine gute Lebensqualität. Sie sind aber auch notwendig für die Wohnmobilität in einem effizienten Wohnungsmarkt: Nur wenn ältere Menschen eine passende, in der Grösse angemessene Wohnung finden, können sie ihr angestammtes Haus oder ihre grössere Wohnung aufgeben. Diese stehen dann Familien mit grösserem Platzbedarf zur Verfügung.

Zwei Drittel der über 90jährigen leben im Pflegeheim

Zudem ermöglichen es Angebote für Wohnen im Alter, so die Regierung in ihrer Antwort weiter – zusammen mit Angeboten für ambulante Pflege – Seniorinnen und Senioren, länger selbstständig zu wohnen und den Übertritt in ein teures Pflegeheim hinauszuschieben. Damit tragen solche Angebote auch dazu bei, die Gesundheitskosten zu dämpfen. Anteil Pflegeheim an der Gesamtbevölkerung bei der Kategorie 90 Jahre und älter: 64 % (Stand 31. Dezember 2022).

Viele ältere Menschen sind zufrieden mit ihrem Haus oder ihrer Wohnung sowie dem Wohnumfeld. Entsprechend geben sie es nur ungern auf. Andere ältere Personen würden ihre Wohnsituation gerne der Lebensphase anpassen. Eine Modellrechnung kommt zum Schluss, dass in der Schweiz über eine Million Zimmer freigespielt werden könnten, wenn alle umzugswilligen Personen ab 50 Jahren eine passende neue und kleinere Wohnung finden würden.

Wenig gesicherte Daten zur Wohnmobilität im Alter

Allerdings sind wenig gesicherte Daten zur Wohnmobilität im Alter verfügbar, räumt die Regierung ein. Von grosser Bedeutung für die Wohnmobilität sind wirtschaftliche Faktoren, also die Kosten und die Verfügbarkeit von (altersgerechtem) Wohnraum. Insbesondere Seniorinnen und Senioren mit Wohneigentum bezahlen für weniger Wohnraum in einer altersgerechten Mietwohnung oft mehr als in der angestammten Wohnsituation.

Nachfrage steigt stärker als das Angebot

Zuletzt ist die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt insgesamt deutlich stärker gestiegen als das Angebot. Dies zeigt sich unter anderem in der Leerwohnungsziffer (Anteil unbesetzter und unvermieteter Wohnungen) im Kanton Aargau, die sich innert dreier Jahre fast halbiert hat.

Für gewisse – im Kanton Aargau nicht vorhandene – grossstädtische Zentren wird ein akuter Wohnungsmangel diagnostiziert. Damit wird Wohnen nicht nur teurer. Es wird generell schwieriger, eine Wohnung mit einer Grösse, Ausstattung und Lage zu finden, die die Bedürfnisse der jeweiligen Lebensphase optimal abdeckt. Der Regierungsrat hat 2023 im Zusammenhang mit einer Reihe von Vorstössen ausführlich dazu Stellung genommen.

Aargau kennt keine Massnahmen in der Wohnbauförderung

Er hat in den Stellungnahmen ausgeführt, dass der Kanton Aargau keine Massnahmen in der Wohnbauförderung kennt. Der Grosse Rat hat zwei Motionen für kantonale Massnahmen abgelehnt und damit bekräftigt, dass er hier keine explizite Aufgabe des Kantons sieht. Die dritte Motion wurde zurückgezogen, so die regierungsrätliche Antwort weiter.

Die Rolle des Kantons ist eine indirekte: Im Bereich Bau und Planung kann er dazu beitragen, dass sich das private Wohnungsangebot optimal entwickelt. Damit kann er den Wohnungsmarkt aber nicht beeinflussen, sondern lediglich unnötige Hürden in der Planung von Wohnraum eliminieren. Hauptgrund für die Zurückhaltung des Kantons Aargau in der Wohnbauförderung ist, dass sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt regional sehr stark unterscheidet.